Ausgangspunkt meiner Betrachtungen zum Krokodil ist ein Plättchen, das in einem Grab im Friedhof von Sanam gefunden wurde (heute im Rijksmuseum van Oudheden in Leiden, Inv.-Nr. F 1940/11.10). Das Bildfeld auf der Vorderseite zeigt in erhabenem Relief eine stehende Figur mit Doppelkrone und Uräus auf einem Krokodil, das sie speert. Mit der erhobenen hinteren Hand hält der Mann den Speer, mit der nach vorn gestreckten vorderen Hand hält er ein Seil, das dem Krokodil die umgewandte Schnauze zusammenbindet. Auf oder über dem Kopf des Krokodils ist ein großes Schilfblatt wiedergegeben. Zwischen oberstem Teil des Schilfblattes und der Krone der Figur befindet sich ein kleines Udjat. Die Rückseite ist in vertieftem Relief gearbeitet. Zwei große Skorpione sind gegenläufig wiedergegeben, zwischen ihnen verläuft eine Linie. Das Krokodil wurde in Ägypten sowohl als gefährliche Macht gefürchtet (Zaubersprüche, Amulette) als auch als Gottheit (Sobek) verehrt. Im antiken Sudan ist ebenfalls der ambivalente Charakter zu erkennen, jedoch in einer anderen Qualität: einerseits ist das Krokodil eine böse Macht, die Menschen und Tiere bedroht, andererseits ist das Krokodil, zumindest in der meroitischen Epoche, ein Garant für das lebensspendende Wasser. Als Gottheit ist es bisher nur einmal (namenlos) belegt. Um seine Gefährlichkeit zu bannen, wurden (wie in Ägypten) Amulette verwendet. Besonders anschaulich ist die "Befriedung" des Krokodils allerdings durch die Darstellung mit der zusammengebundenen Schnauze gezeigt. Ein expliziter "Krokodilkult" ist aus dem antiken Sudan bisher nicht belegt, jedoch kann man durch die gefundenen Amulette und Darstellungen (v.a. auf Gefäßen und in sakralen Stätten) davon ausgehen, daß die Macht des Krokodils mittels Magie beeinfußt werden sollte.
Im Fokus der Untersuchung steht eine linear über sieben Generationen von weiblichen Vorfahren laufende Genealogie, die auf der Inthronisationsstele des Königs Aspelta, der im frühen 6. Jh. v. Chr. in Nubien herrschte, erhalten ist. Es wird vorgeschlagen, dieses in seiner Art einmalige Zeugnis als einen von mehreren Versuchen der Legitimation des Aspelta zu sehen. Die Identifikation der im Giebelfeld dargestellten und zugleich an erster Stelle in der Genealogie genannten Frau mit Nasalsa wird hinterfragt und abgelehnt.