Martin Luther bezeichnet die Kirche als creatur verbi. Was bedeutet es dann in der Praxis, dass die Gemeinde durch Predigen aufgebaut wird? Für diese Thema habe ich drei Theologen ausgewählt: Dietrich Bonhoeffer, Rudolf Bohren und Christian Möller. Im Hauptteil der Arbeit erforschte ich Predigten und Predigttheorie dieser Theologen und machte klar, wie die Theorie und die Praxis gegeneinander wirken, und wie diese Theologen „Gemeindeaufbau durch Predigen“ verwirklichten. Seitdem die evangelische Mission in Japan begann, sind etwa 150 Jahren vergangen. Trotzdem bilden die Christen immer noch nur knapp ein Prozent der Einwohner Japans. Die religiöse Lage in Japan ist synkretistisch: Buddhismus und Shintoismus wirken gemischt in einer Person. Nur innerhalb der religiösen Harmonie ist auch das Christentum zugelassen. Der Synkretismus versteckt sich auch im einzelnen Christen. Japaner-sein hat den Vorrang vor Christsein. Der christliche Glaube wird zwar als gute Ethik geschätzt, aber die Eintracht ist wichtiger als die Persönlichkeit coram deo. Die innere und äußere synkretistische Haltung macht das Christsein und die Lage der Kirche in Japan schwierig. Dietrich Bonhoeffer legt den biblischen Text „pneumatisch“ aus und arbeitet sein zentrales Motiv heraus. In seiner „Petruskirche“-Predigt ist es „Bekennen“: die einzige Tat, die die Gemeinde tun soll, ist Bekennen. Die schwache, den Herrn verleumdende Kirche kann doch bekennen, und auf Christus, der die Gemeinde baut, vertrauen. Der Prediger, Bonhoeffer, steht vor der Gemeinde als ein auf Christus vollkommen vertrauende Mensch, und ruft die Gemeinde: „Bekenne!“ Sein Imperativ ist Ruf zum Wachen, so dass die Hörenden für die Nachfolge entscheiden. Bonhoeffers Homiletik beruht zwar auf seine Christologie: Christus ist als Predigtwort gegenwärtig, Christus als Predigtwort trägt die Hörenden. Aber dieses Predigtverständnis muss pneumatologisch verstanden werden: „Der Heilige Geist aktualisiert, was in Christus realisiert ist.“ Der Heilige Geist wirkt mit dem Wort und aktualisiert die Tat Christi jetzt und hier. Deshalb ist es wichtig, das Wort zu meditieren, und dabei das Wirken des Geistes, die Eigenbewegung des Wortes, nicht zu hindern. Rudolf Bohren redet die Hörenden mit der Zeit anders an: früher lädt er sie in den Text ein, in dem er schon steht. Später aber bleibt er immer bei ihnen, er glaubt und sagt, dass auch die Hörenden schon im Text, im Wort Gottes vorhanden sind. Solche Predigtpraxis knüpft damit, dass er den Predigthörer als den „zweiten Text“ versteht. In der Meditation dieses zweiten Textes sollte der Prediger den Hörer er-finden: den Hörer in der Gnadenwahl Gottes. Die Theorie zur Predigtanalyse ist für Bohren eine Weiterentwicklung der Predigtlehren in die Richtung zum Hörer. Nicht eine gehaltene, sondern eine gehörte Predigt bildet eine Gemeinde. Deshalb ist es zum Gemeindeaufbau entscheidend, was und wie die Gemeinde in der Predigt hört. Die Predigtanalyse ist eine Methode besser zu hören. Christian Möller inszeniert in seinen Predigten einen Raum, in dem der Hörer Gott begegnen kann. Der Hörer hört, was Gott allein ihm zuspricht. Er wird dadurch als ein Einzelner zur Taufe und zum Abendmahl herbeigerufen, und als Säule der Gemeinde aufgebaut. Luthers Predigtkonzept „viva vox evangelii“ spielt bei Möller eine entscheidende Rolle: es kommt darauf an, dass die Gemeinde die „Stimme“ Christi hört. Der Prediger dient diesem Geschehen mit seiner Stimme. Die Einzelnen hören die Stimme ihres Hirten, und werden zum Hören versammelt. Indem ein einzelner Hörer durch das Hören als der Einzelne herbeigerufen wird, wird er in ein neues Verhältnis zu Nächsten und zu Gott gesetzt. Deshalb muss Möllers Konzept „seelsorglich predigen“ so verstanden werden, dass Christus selbst mit seiner lebendigen Stimmern zuspricht und die Seele des Hörers tröstet. In der synkretistischen und kollektivistischen Gesellschaft Japans muss das Hören und das Sagen als persönliches Tun wieder entdeckt werden. Die Meditation ist dabei zuerst eine Methode, die Stimme Christi zu hören. In der Meditation konzentriert der Meditierende einerseits auf ein Wort pro me. Andererseits aber offenbart Christus sich in der Zeit und zieht den Meditierenden in seine Heilsgeschichte. Dort wird ihnen eine Vision gegeben, so dass sie anfangen, mit Christus durch den Heiligen Geist zum Vater in der Heilsgeschichte zu leben. Durch die sakramentale Meditation wird der Hörende zum Sagenden. Die Meditation ist dann auch eine Methode zum Sagen. In ihr wird der Gedanke wechselnd diffundiert und konvergiert. Meditation und Predighören (Predigtanalyse) haben die gleiche Struktur. Der Vorgang besteht darin, dass das Wort Christi aufgenommen und zum eigenen Wort des Predigers bzw. des Hörers wird. Damit kann der Prediger das Wort weitergeben, und der Hörer kann genauso zum nächsten Prediger werden.