Aufgabe und Zielsetzung der Arbeit ist die Analyse von Zuschreibungs- und Aushandlungsprozessen unter dem Fokus individueller Religiosität auf der Ebene religiöser Akteure am Beispiel von Homepage-Besitzern des rezenten Hexendiskurses. Im Rahmen einer Akteursperspektivischen Religionsgeschichtsschreibung, die im Gegensatz zur bislang auf den Gelehrtendiskurs fokussierten Perspektive und damit auf einer idealtypischen Beschreibung von Orthodoxie und Orthopraxie Aussagen auf der religiösen Akteursebene untersucht, wurde als exemplarischer Teilbereich die Konstruktion von Ritualen anhand ausgewählter Ritualpräskripte untersucht. Im Gegensatz zu systemisch und damit zugleich statisch verstandenen Ritualen, die als fest definierbar und abgrenzbar gelten, werden Rituale nicht mehr als in sich geschlossene Systeme angesehen, die unabänderlich in Zeit und Raum bestehen, sondern als von den jeweiligen Akteuren konstruiertes Symbolsystem, welches per se fluiden Charakter aufweist und im Laufe der Geschichte an neue Wissensbestände, Ereignisse, Lebenssituationen angepasst und konstruiert wird. Für die Untersuchung von clusterförmigen Religionsdiskursen wird postuliert, dass Zuschreibungs- und Konstruktionsprozesse mehrdimensional, d. h. für die einzelnen Teildiskurse – die sogenannten Aggregationen – untersucht werden müssen. Als Beispiel einer solchen Aggregation wird der Ritualdiskurs in den Fokus genommen und auf diese Prozesse befragt und analysiert. Leitende Fragestellungen waren dabei: Wie werden Rituale im Medienverbund Internet designed? Welche Konstruktionsprozesse lassen sich im Rahmen von Ritualdesign beobachten und lassen sich dahinter stehende Strukturen eruieren?
Rezension: Bernstein, Andrew (2006): Modern Passings. Death Rites, Politics, and Social Change in Imperial Japan. Honolulu: University of Hawai´i Press.
Inken Prohl und Katja Rakow: Transformationen buddhistisch inspirierter Vorstellungen und Praktiken: Eine empirische Studie im Raum Berlin Der Artikel präsentiert die Ergebnisse einer auf Fragebogen gestützten Erhebung zum Buddhismus in Berlin, die die Autorinnen im Rahmen des DFG-Projektes „Sinnsuche – Coping – Streben nach Wohlgefühl. Transformationen buddhistisch inspirierter Vorstellungen und Praktiken in der deutschen Gegenwartsgesellschaft“ von Januar 2006 bis Juni 2006 durchgeführt haben. Als Grundlage für die Analyse der von ihnen erhobenen Daten werden zunächst unter dem Stichwort „postmoderne Spiritualitäten“ die Spezifika des gegenwärtigen religiösen Feldes, Überlegungen zu den analytischen Begriffen „Buddhismus“ und „Religion“ sowie die Parameter der Untersuchung vorgestellt. Im Anschluss daran legen sie die wichtigen Befunde ihrer Studie vor: Das Herzstück der Beschäftigung westlicher Praktizierender bilden meditative Praktiken, wobei die Anliegen, die sie an die Praxis knüpfen, als religiös zu identifizieren sind. Die Beschäftigung mit dem Buddhismus hat in der Wahrnehmung der befragten Akteure zahlreiche Auswirkungen auf ihre Lebensgestaltung. Ästhetische Interventionen spielen in der Praxis des westlichen Buddhismus eine elementare Rolle, und schließlich ist im Segment der buddhistischen Praxis im Westen ein ausgeprägter Trend zur Privatisierung von Religion zu beobachten. Basierend auf den theoretischen Überlegungen und Schlussfolgerungen der Analyse der Ergebnisse plädieren die Autorinnen in ihrem Resümee für eine stärkere Berücksichtigung relationaler Aspekte in der religionswissenschaftlichen Forschung.
Johanna Lüdde: Die Akkulturation des Chan-Buddhismus im Shaolin Tempel Deutschland Der Artikel beschäftigt sich mit der Akkulturation des Chan-Buddhismus im Shaolin Tempel Deutschland und präsentiert damit ein Fallbeispiel für die Entwicklung des Buddhismus in Deutschland. Die Ergebnisse stützen sich auf eine Feldforschung, welche die Autorin zwischen Juni 2005 und September 2006 im Tempel durchführte. Mit Hilfe qualitativer Forschungsmethoden ging sie u.a. den Fragen nach, welche Ziele die chinesischen Mönche in der Vermittlung des Buddhismus verfolgen, welche Methoden sie dabei verwenden, und welche Motivation ihnen zugrunde liegt. Die buddhistischen Inhalte, die die Mönche vermitteln möchten, stimmen teilweise mit den von den (deutschen) Schüler/innen rezipierten Inhalten überein, weisen jedoch auch Unterschiede auf. Anhand der im Kommunikationsprozess auftretenden Übereinstimmungen und Diskrepanzen wird am Ende dieser Abhandlung der Grad der Akkulturation des Chan-Buddhismus im Shaolin Tempel Deutschland aufgezeigt.
Jens Schlieter: Wer hat Angst vor dem Dalai Lama? Victor und Victoria Trimondis Der Schatten des Dalai Lama (1999) als spiritualistische Verschwörungstheorie Im Jahre 1999 erschien das Werk Der Schatten des Dalai Lama, in welchem die These aufgestellt wurde, dass der Dalai Lama und die tibetische Mönchsaristokratie eine dunkle, bislang nicht wahrgenommene Rückseite zeige, die von Gewalt, Unterdrückung, Ausbeutung und Scheinheiligkeit geprägt sei. Nach den Autoren dieses Werkes strebten exilierte tibetische Buddhisten gemäss ihrer verborgenen Agenda danach, über eine in tantrischen Sexualkulten vollzogene Ausbeutung der weiblichen „Gynergie“ das System sich reinkarnierender Yogis in Gang zu halten. Über die instrumentalisierten westlichen Adepten würden sowohl andere Religionen zurückgedrängt, als auch, über magische Praktiken, Einfluss auf die Weltpolitik genommen. Ziel des Aufsatzes ist erstens, zu zeigen, dass diese Theorie der Trimondis zentrale Merkmale einer Verschwörungstheorie aufweist – ein resakralisiertes und monokausales Geschichtsszenario, eine literale Auslegung religiöser Quellentexte, die unmittelbar auf Intentionen zeitgenössischer Akteure angewendet wird, usw. Da sich diese Theorie aber nicht nur in Religionskritik erschöpft, sondern auch positiv an das spirituelle Vorbild tantrisch-buddhistischer, sexueller ‚Hierogamie‘-Praktiken anknüpft, wird zweitens die religionsproduktive Seite der Trimondischen Arbeit unter dem Begriff der „Verschwörungsmythotheorie“ gefasst und analysiert. In dem Rekurs auf eigene spirituelle Erfahrungen – im Kontrast zu einer säkular gedeuteten Lebenswelt, in der Machtgewinn die letzte Motivation der buddhistischen Akteure darstellt – sind, so die These, auch die zentralen Motive und Funktionen zu finden, die die Autoren dazu bewogen haben, ihre Verschwörungsmythotheorie auszuarbeiten.
Katja Rakow: Das Tibetische Totenbuch: Vom tibetischen Ritualtext zum spirituellen Klassiker Der Artikel befasst sich mit der Transformation tibetisch Ritualtexte in einen universellen, spirituellen Klassiker, der unter dem Titel Das Tibetische Totenbuch große Bekanntheit erlangte und den westlichen Menschen die ‚Kunst des Lebens und des Sterbens’ lehren soll. Den Ausgangspunkt bilden die historische Einordnung der tibetischen Texte des Bardo Thödol Chenmo (bar do thos grol chen mo, dt.: Die große Befreiung durch Hören [der Erläuterungen über] den Bardo) und eine Darstellung der in ihnen zum Ausdruck gebrachten Konzepte über Tod und Wiedergeburt sowie eine Beschreibung der rituellen Verwendung der Texte in tibetischen Totenzeremonien. Die Transformation der Ritualtexte in der westlichen Rezeption wird anhand von zwei Beispielen thematisiert. Zum einen wird die Präsentation und Interpretation der tibetischen Texte in der Form des Tibetan Book of the Dead (1927) von Walter Y. Evans-Wentz unter Berücksichtigung der zeitgenössischen theosophischen Einflüsse analysiert. Zum anderen wird die Neubearbeitung des Themas durch den Tibeter Sogyal Rinpoche in The Tibetan Book of Living and Dying (1992) und die Adaption für die Hospizarbeit und Sterbebegleitung vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Spiritualitätsdiskurses erörtert. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den jeweiligen Strategien zur Universalisierung tibetisch-buddhistischer Vorstellungen und Praktiken. Der Artikel schließt mit einer Diskussion der dargestellten Neudeutungen der Texte und ihren praktischen Implikationen vor dem breiteren Horizont der Transformationen buddhistisch inspirierter Vorstellungen und Praktiken im westlichen Kontext.
Sven Bretfeld: Buddhistische Laien, buddhistische Profis: Individualisierung von Religiosität als Folge einer Neuverteilung religiösen Wissens im modernen Buddhismus Sri Lankas Seit Mitte des 19. Jahrhunderts haben srilankische Laienbuddhisten den Exklusivanspruch des Klerus auf die alleinige religiöse Deutungsmacht mehr und mehr streitig gemacht. Die auf dieser Neustrukturierung der religiösen Wissensproduktion aufbauende Vipassanā-Bewegung hat seit Mitte des 20. Jahrhunderts die zuvor allenfalls in kleinen exklusiven Mönchszirkeln verbreitete buddhistische Meditationspraxis erstmals in der Geschichte Sri Lankas als optionale Form religiöser Aktivität einem grösseren Laienpublikum verfügbar gemacht. Neudeutungen im Gefolge der Vipassanā-Bewegung ermöglichen eine profiliertere selbst- und fremdreferenzielle Deutung des Individuums. Insbesondere Laien-Buddhisten treten in neuer Weise als religiös profilierte Individuen jenseits eines standardisierten Rollenmodells auf. Paradoxer Weise produziert diese Bewegung gleichzeitig Tendenzen zu einer weiteren Aristokratisierung privilegierter Schichten.
Die Beiträge der Zeitschrift befassen sich auf der Basis neuester Forschungsergebnisse sowohl mit historischen Prozessen als auch rezenten Entwicklungen in den verschiedenen Buddhismen. Dabei werden lokal spezifische wie auch transkulturelle Adaptions-, Transformations- und Innovationsprozesse in den Blick genommen. Der Fokus der Beiträge liegt auf Wandlungsprozessen in buddhistischen Vorstellungen, Rhetoriken, Praktiken und Ästhetiken, die durch historische und gesellschaftliche Veränderungen als auch durch den geographischen Transfer buddhistischer Ideen und Praktiken (z.B. zwischen Ost und West und umgekehrt) hervorgerufen wurden und werden. Im Rahmen der Zeitschrift werden für das skizzierte Themenfeld relevante Publikationen besprochen.
Ludmil Duridanov and Simeon Simoff call in their paper “'Inner Listening' as a Basic Principle for Developing Immersive Virtual Worlds” for an approach that focuses on visualisation as an important way of analysing a Virtual World. They argued that immersive Virtual Worlds have developed on ad-hoc basis, driven mainly by the need for creating inhabited places for virtual communities and environments for distributed gameplay. The goal of achieving immersion has been mainly pursued using convincing 3D interactive graphics technology and the approaches to design have focused on the visualisation aspects, neglecting the “audio design” and the consistent integration of visual and audio designs. As the collaborative and community-related aspects of these environments are expected to be dominant in the future, the authors argue that there is a clear need to develop deeper underlying principles for the design of these inhabited virtual spaces. They conclude that Virtual Worlds of the future should be places that allow for a creative and enlightened state of mind by their inhabitants. Thereby two sources of wisdom – the Judeo-Islamic and Buddhist tradition – should be explored for establishing the principle of “inner listening” as one of the basic principles for developing immersive Virtual Worlds.
Michael Highland and Gino Yu “Communicating Spiritual Experience with Video Game Technology” deal with the aspect of experience. They stress that given the interactive nature of video game technology, it is an ideal medium for representing and communicating experience. As the game world is causally dependent on input from individual players, they evoke feelings that are urgent, direct, and personalized. Online virtual spaces therefore provide an environment for people of different faiths to come together in conversation.
In her article “Another Time, Another Space: Virtual Worlds, Myths and Imagination” Beatrice Bittarello performs a reappraisal of the issue of Virtual Worlds using an interdisciplinary approach. She argues that Virtual Worlds existed before the introduction of the Internet. To back up her argument she outlines a history of literary and visual pre-Internet Virtual Worlds, all of which represent an alternative, mythical, and (often) religious space. She goes on to argue that finding a way of “reaching” Virtual Worlds is the key to the re-conception of (online) Virtual Worlds today. Many elements of literary Virtual Worlds can thus also be linked to contemporary examples of Virtual Worlds on the Internet. She stresses the importance of visual aspects, even though the imagination and the mythopoeic activity of the players play a key (and integral) role in Virtual Worlds on the Internet.
In her article “Enhancing the Spiritual Relationship: The Impact of Virtual Worship on the Real World Church Experience” Andreé Robinson-Neal discusses her experiences as a virtual churchgoer in “Second Life“ and describes the relationship between online worship and her offline faith experience. The article centres around the reality of experience in virtual worship and how can both enhance and hinder the “real-life faith walk.”
Pablo Martinez-Zárate, Isabela Corduneanu and Luis Miguel Martinez outline in their article “S(l)pirituality. Immersive Worlds as a Window to Spirituality Phenomena” some conceptual and methodological considerations for studying influential belief systems within online worlds, in particular “Second Life.” The authors' research is aimed at tracing the activities and narratives surrounding of the avatar’s development inside digital worlds, focusing their attention on spiritual practices as performed by ”Second Life“ residents. At the same time, they offer some methodological reflections on the particularities of online social research in Virtual Worlds.
In the article ”Online Rituals in Virtual Worlds. Christian Online Services between Dynamics and Stability“ Nadja Miczek reflects on Christian ritual settings in two case studies analysing different Online Services: “Church of Fools” and “Second Life.” She thereby focuses on recent concepts of ritual theory, like Ritual Dynamics and Ritual Transfer and broaches the issues of invention, transformation and exclusion at different stages of ritual action.
In their article “The Church of Fools: Virtual Ritual and Material Faith” Randy Kluver and Yanli Chen look to investigate the nature of the spiritual world created by the Church of Fools “from the other side” and explore the relevance of that world for the traditional conceptions of Christian spirituality. They explore the relevance of that world both to the traditional conceptions of Christian spirituality, as well as the way in which the attempt to bring traditional Christianity into cyberspace pays homage to the new world driven largely by the Internet. In an investigation into the “Church of Fools” experience, in which they examine the virtual reality portal provided as well as interviewing “Church of Fools” participants, Kluver and Chen focuse on the way in which the “Church of Fools” combines a material sense of spirituality with the Virtual World created online.
Simon Jenkins, the founder of the famous “Church of Fools”, writes about his experiences of turning Christian rituals into virtual reality. In his article “Rituals and Pixels. Experiments in Online Church” he describes from an emic perspective the beginnings and the formation of the ”Church of Fools” as an experiment of a 3D-Faith-Environment, its development and his latest project, “St Pixels
The virtual ethnographic study by Kathryn Stam and Michael Scialdone seeks to understand social interaction through the Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPG) communities of Furcadia and Runescape. Their article on “Where Dreams and Dragons Meet. An Ethnographic Analysis of two Examples of Massive Multiplayer Online Role-Playing Games“ attempt to understand some key aspects of this genre of online activity and interaction. Using an adaptation of Grounded Theory and analytic induction methods, they explored the nature of these two online communities and the interaction between characters. In this context they discuss some of the main methodological and ethical issues such as the difference between public versus private spheres, the concept of consent in challenging environments, new considerations of reciprocity within the game, the building of online trust, and representation of the researcher of him- or herself.
Libuse Martinkova discusses in her article “Computer Mediated Religious Life of Technoshamans and Cybershamans” the artificial dichotomy of 'Virtuality' and 'Reality' and online and offline borders. In the case study she presents two different groups and thus two different reasons for applying new technology to ritualistic settings: Computer technology is in one setting mainly used as a tool for specific shamanistic rituals whereas in the other setting computer technology serves as a space for conducting shamanic rituals.
Gordon Calleja gives an historical overview about the history of Virtual Worlds. In his article “Virtual Worlds Today: Gaming and Online Sociality” he thus focuses on the problems that come with trying to define “virtual” and “Virtual Worlds” and gives an illustrative overview about various types of different so-called Virtual Worlds.
Kerstin Radde-Antweiler gives an overview or a cross section about the religious and ritualistic settings within “Second Life” and explores the question why studies in and around Virtual Worlds represent an important issue in the Study of Religions. In her article about “Virtual Religion. An Approach to a Religious and Ritual Topography of Second Life” she introduces the theoretical concept of an “actor-related religious historiography” which tries to take into account the religiousness of the individual actor.
Introduction the the Special Issue on Religion in Virtual Worlds.