In Umkehrung bisheriger disziplinübergreifender Studien über E.T.A. Hoffmann als Prototyp des 'Universalkünstlers' schlechthin wird seine Musikalität als das grundlegende Medium betrachtet, aus welchem sich die anderen Begabungen heraus entwickelt haben und das nicht einfach zugunsten des (für ihn letztlich erfolgreicheren) Schriftstellertums verlassen worden ist. Anhand von editorisch und musikologisch gesicherten Instrumentalwerken wird zunächst die historische Position des Komponisten Hoffmann in der unmittelbaren Gegenüberstellung mit Werken vergleichbarer Gattung, Besetzung und Entstehungszeit von Zeitgenossen ähnlichen Ranges überprüft und teilweise korrigiert, ergänzt durch zahlreiche musikgeschichtliche, -ästhetische und literaturphilosophische Exkurse. Dabei ergab sich als Hauptmerkmal die schrittweise Perfektionierung einer an verschiedene Schulen angelehnten Kompositionsweise nach dem 'Baukastenprinzip', die z.T. werkübergreifend mit Kleinsteinheiten in immer neuer Kombination und zunächst unüberschaubar wirkender Verschachtelung operiert, wobei sie sich späteren Techniken der Motivabspaltung und Thementransformation des 19. Jahrhunderts (allerdings ohne deren ideologischen und programmatischen Unterbau) nähert. Als professioneller Musiker dilettierte Hoffmann gewissermaßen auf dem Gebiet der Literatur, in welches er seinen aus den Musikkritiken extrahierten und in den eigenen Kompositionen erprobten extravaganten Personalstil überführte und somit quasi 'auf Umwegen' eine nachhaltige Wirkung erzielte. Der Ansatz dieser Studie geht dabei jedoch in dezidierter Abgrenzung von vielen Vorgängern nicht von einer 1:1-Übertragung formaler (geschweige denn inhaltlicher) Komponenten aus, sondern zeigt vielmehr gleich strukturierte Stilmittel in bezug auf die beabsichtigte Irritation des jeweiligen Zielpublikums auf, wobei sich das literarische Forum hinsichtlich dieser rezeptions- und wirkungsästhetischen Ausrichtung letztlich als dankbarer erwiesen hat.
Die vorliegende Dissertation hat die vorletzte Oper des tschechischen Komponisten Leos Janacek zum Thema, ?Die Sache Makropulos?. Es handelt sich um ein etwas kontroverses Werk, das in seiner Publikumswirksamkeit deutlich hinter den übrigen reifen Opern Janaceks zurückbleibt. Diese Tatsache ist allerdings weniger auf eine etwaige mangelhafte Qualität des Werkes, sondern vielmehr auf die Neuartigkeit der musikalischen Sprache und auf das gänzliche Fehlen der für diesen Komponisten so typischen volkstümlichen Elemente zurückzuführen. Der erste Teil der Arbeit dokumentiert die Entstehungsgeschichte der Oper, wobei vor allem die umfangreiche Korrespondenz Janaceks, aber auch andere zeitgenössische Quellen ausgewertet werden. Außer dem Kompositionsprozeß selbst werden auch die Drucklegung, die ersten Aufführungen, die deutsche Übersetzung des Librettos und die Rezeptionsgeschichte behandelt. Der zweite Teil beinhaltet die analytische Darstellung der literarischen Vorlage für das Libretto der Oper, bei der es sich um das gleichnamige Theaterstück des tschechischen Dichters Karel Capek handelt. Im folgenden Abschnitt wird die musikalische Sprache des Werkes mit musikologischen Mitteln analysiert. Neben der Untersuchung der motivischen Struktur (mit Janaceks eigenem Verständnis von Leitmotivik) werden Harmonik, Melodik und Rhythmik angesprochen und deren Eingenheiten an einigen für die Musik dieser Oper typischen Beispielen erläutert. Zur Sprache kommt auch das Zusammenspiel zwischen Wort und Musik, das für Janaceks Tonsprache von entscheidender Bedeutung ist. Im vierten Teil schließlich wird das Autograph der Oper analysiert, wobei die Entstehungsgeschichte des Werkes anhand von erhaltenen Skizzen und Arbeitsfassungen verfolgt wird. Enthalten ist ebenfalls ein Exkurs über den dritten Satz von Janaceks unvollendeter Donau-Symphonie, bei dessen Komposition vorwiegend aussortiertes Material aus der Oper verwendet wurde.