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Prozesse der Familienbildung in der frühen familiären Triade: das Zusammenspiel intrapersonaler, interpersonaler und soziokultureller Faktoren in chilenischen und deutschen Familien

Schröck, Felicia

[thumbnail of Dissertation_Felicia Schröck.pdf] PDF, German
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Abstract

Hintergrund: Die Untersuchung der frühen familiären Triade stellt eine Ergänzung oder Er-weiterung der in der interpersonalen Forschung bislang im Vordergrund stehenden Perspek-tive einer „Zwei-Personen Psychologie“ um eine „Drei (bzw. Mehr)-Personen-Psychologie“ dar, von der anzunehmen ist, das sie unser Erleben und Verhalten in Beziehungen von Be-ginn des Lebens an bedeutsam prägt (Fivaz-Depeursinge et al., 2010; Stern, 2010). Auf theo-retischer Ebene kann für eine zentrale Bedeutung der Beziehungserfahrungen in der frühen Triade für daraus hervorgehende intrapersonale Entwicklungswege fundiert argumentiert werden (z.B. Fivaz-Depeursinge et al., 2010; Stern, 2010; Buchholz, 1990; Favez et al., 2012), Reich und Cierpka (2003) sprechen von der „triangulären Grundform“ menschlicher Beziehungen (S. 396). Das Instrument des Lausanner Trilogspiels hat eine Möglichkeit eröff-net, diesen für die psychische Entwicklung bedeutsamen Beziehungserfahrungen in der frü-hen familiären Triade auch in Form empirischer Studien weiter nachzugehen (z.B. Favez et al., 2012). Die vorliegende Forschungsarbeit setzt hier an, befasst sich dabei aber empirisch nicht mit daraus hervorgehenden intrapsychischen Entwicklungen, sondern mit Faktoren, die Qualitä-ten der interpersonalen Bezogenheit in der frühen familiären Triade mitbestimmen bezie-hungsweise mit ihnen einhergehen. Dabei sollte der Komplexität der bei den Prozessen der Familienbildung in der frühen familiären Triade miteinander verknüpften Faktoren (vgl. Oerter et al., 1999; Cummings et al., 2000) ein Stück weit Rechnung getragen werden. So steht hier das Zusammenspiel (von Faktoren) der Ebenen Individuum, Triade und Kultur im Zentrum der empirischen Untersuchung. Ziel war es, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Ebe-nen des „Innens“ und „Außens“ (innerhalb und außerhalb der Person, innerhalb und außer-halb der Triade) abzubilden und die relative Bedeutung der verschiedenen berücksichtigten Faktoren für Prozesse der Familienbildung in der frühen Triade Mutter –Vater-Säugling intra- sowie interkulturell in chilenischen und deutschen Familien zu untersuchen.

Methode: Zur Überprüfung der konfirmativen Hypothesen und explorativen Fragestellungen wurden in Heidelberg (N = 40) und in Santiago de Chile (N = 19) frühe familiäre Triaden aus zusammenlebendem, erwachsenem Elternpaar und ihrem ersten Kind im Alter von drei bis sechs Monaten beim gemeinsamen Spiel zu dritt mit Hilfe des semi-standardisierten Lausan-ner Trilogspiels (LTP; Fivaz-Depeursinge & Corboz-Warnery, 1999) im Labor untersucht. Eine spezielle Software erlaubte trainierten Ratern, die auf Video aufgezeichneten familiären Interaktionen in den frühen Triaden mit frontaler Ansicht der Gesichter und Körperhaltungen aller drei Partner sowie ihrer räumlichen Ausrichtungen im frühen familiären Dreieck anhand definierter Beobachtungskriterien der interpersonalen Bezogenheit (Family Alliances Asses-sment Scale (FAAS), Lavanchy Scaiola et al., 2008) systematisch auszuwerten. Ein zweiter Teil der Datenerhebung erfolgte in Form einer Online-Fragebogenbatterie für die Mutter. Die-se enthielt zum einen Fragebögen zu verschiedenen persönlichkeitsstrukturellen Merkmalen (OPD-Strukturniveau: OPD-SF, Schauenburg et al., 2012; Abhängigkeit und Selbstkritik: DEQ, rekonstruierte Version, Bagby et al., 1994; Ärger-Regulationsstrategien: AERZ (nur Teil I - ärgerbezogene Reaktionen), Weber, 2007) sowie postpartalen Symptomen psychischer Belastung (Depressive Symptome: CES-D, Radloff, 1977; allgemeiner psychischer Be-schwerdegrad: BSI-18, Derogatis, 2000) der Mutter. Zum anderen wurden hier Formen der sozialen Unterstützung (tatsächliche (instrumentelle) soziale Unterstützung der Triade: aus Cierpka et al., 2011; erlebte soziale Unterstützung der Mutter: F-SozU, Sommer & Fydrich, 1989) sowie ein strukturelles Merkmal des Zusammenlebens (Anzahl an Personen im ge-meinsamen Haushalt: aus dem HKFB, Freund et al., 2012) der frühen familiären Triade unter-sucht. Es wurden intrakulturelle Zusammenhangsanalysen und interkulturelle Unter-schiedsanalysen durchgeführt.

Ergebnisse: Für beide untersuchten kulturellen Gruppen wurden systematische Zusam-menhänge zwischen den sich entwickelnden interpersonalen Qualitäten in der frühen familiä-ren Triade und sowohl allen untersuchten intrapersonalen Qualitäten der Mutter als auch allen berücksichtigten Faktoren des soziokulturellen Umfelds ermittelt. Dabei fielen die Zusammen-hänge zwischen Qualitäten der interpersonalen Bezogenheit in der frühen Triade und den untersuchten persönlichkeitsstrukturellen Merkmalen der Mutter einerseits sowie den ermit-telten postpartalen Symptomen psychischer Belastung der Mutter andererseits in den intra-kulturellen Analysen der deutschen Stichprobe in erwarteter Richtung aus. Ein höheres Integrationsniveau der Mutter bei verschiedenen persönlichkeitsstrukturellen Merkmalen war prädiktiv für bessere Qualitäten der interpersonalen Bezogenheit in der frühen Triade. Ein höheres Ausmaß sowohl an postpartalen depressiven Symptomen als auch an postpartalen allgemeinen psychischen Beschwerden der Mutter ging mit problematischeren Interaktions-formen in der Triade einher. Dabei zeigten sich immer nur für einige der jeweils untersuchten persönlichkeitsstrukturellen und psychopathologischen Merkmale der Mutter und einige der erhobenen interpersonalen Qualitäten systematische Zusammenhänge. Auf der Seite der intrapersonalen Merkmale der Mutter zeigten sich das Strukturniveau ihrer Fähigkeit zur Ob-jektwahrnehmung sowie zur Bindung an innere Objekte, die Ausprägung ihrer Selbstkritik sowie das Ausmaß an Rumination zur Regulation ihres Ärgers in sozialen Situationen als be-sonders einflussreich für sich entwickelnde Qualitäten der interpersonalen Bezogenheit in der frühen Triade. Dabei ergaben sich hierzu auf der Seite der interpersonalen Merkmale der Tri-ade vor allem Zusammenhänge zwischen mütterlichen OPD-Strukturdimensionen und der Qualität der Übernahme der den Partnern in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen jeweils zugeteilten (aktiven/ passiven) Rollen, der Qualität der Validierung der kindlichen Af-fekte sowie dem Ausmaß an elterlichen Konflikten. Das Ausmaß an postpartalen depressiven Symptomen der Mutter korrelierte insbesondere mit den Qualitäten des elterlichen Subsys-tems, dem Co-Parenting und auch dem Ausmaß an elterlichen Konflikten. Für die einzigen in der chilenischen Stichprobe erhobenen persönlichkeitsstrukturellen Merkmale der Abhängigkeit und Selbstkritik zeigten sich intrakulturell sowie interkulturell zum Teil überraschende Ergebnisse. Bei einer interkulturell vergleichbar ausfallen Ausprägung der mütterlichen Abhängigkeit wirkte sich hier eine höhere Ausprägung für deutsche Mütter so-wohl interpersonal (in der Triade) als auch intrapersonal (in Form damit einhergehender psy-chopathologischer Symptome) negativ aus, während dies für Mütter in der chilenischen Stichprobe nicht der Fall war. Das Ausmaß postpartaler depressiver Symptome der Mutter hing in den untersuchten chilenischen Triaden allein mit der Authentizität der gezeigten Affekte negativ zusammen, wobei die insgesamt für die Kategorie der Authentizität in der chilenischen Stichprobe ermittelte größere Anzahl an Zusammenhängen mit diversen Faktoren ihr in der vorliegenden Studie eine besondere Bedeutung zuschreibt. Hinsichtlich der soziokulturellen Faktoren der tatsächlichen sowie der erlebten sozialen Unterstützung zeigten sich bedeut-same interkulturelle Unterschiede. Während in Chile die tatsächliche Unterstützung bei der Betreuung des Babys insgesamt sowie durch die Eltern der Mutter im Besonderen wesentlich höher ausfielen als in Deutschland, ging eine höhere Unterstützung durch die Eltern der Mut-ter in chilenischen Triaden mit einem besseren und in deutschen Triaden mit einem schlech-teren allgemeinen interpersonalen Funktionsniveau einher. Gleichzeitig war das Ausmaß der erlebten sozialen Unterstützung chilenischer und deutscher Mütter überwiegend miteinander vergleichbar, wobei die deutschen Mütter eine etwas größere Zufriedenheit mit ihrer Unter-stützung berichteten. Dabei zeigte sich hinsichtlich der erlebten sozialen Unterstützung ins-gesamt und ihrem Zusammenhang mit Qualitäten der sich entwickelnden Triade ein interkul-tureller Unterschied in entgegengesetzter Richtung (im Vergleich zur tatsächlichen Unterstüt-zung). Während in Deutschland ein höheres Maß an erlebter sozialer Unterstützung mit ei-nem ausgeprägteren Engagement des Kindes in der Triade einherging, fiel dieser Zusam-menhang in Chile negativ aus. Allein in Chile lebten manche Triaden mit weiteren Personen gemeinsam in einem Haushalt. Dabei war dies der Faktor, der in der chilenischen Stichprobe die meisten und dabei auch einige hohe Zusammenhänge mit Qualitäten der interpersonalen Bezogenheit in der frühen familiären Triade aufwies.

Diskussion: Die Ergebnisse stehen solchen vorangegangener Studien entgegen, die keine Zusammenhänge zwischen intrapersonalen Merkmalen der Mutter und Qualitäten der inter-personalen Bezogenheit in der frühen Triade ermittelt haben (Paley et al., 2005; Favez et al., 2013) und ergänzen solche vorangegangener Studien, die hier für andere intrapersonale Merkmale der Mutter bereits systematische Zusammenhänge gezeigt haben (v. Klitzing et al., 1999; Schwinn, 2011). Die gemeinsame Berücksichtigung von Faktoren der drei Ebenen Indi-viduum, frühe Triade und soziokulturelles Umfeld ermöglicht den unmittelbaren Vergleich der Bedeutsamkeit intrapersonaler und soziokultureller Faktoren für die sich entwickelnden Quali-täten der Bezogenheit zwischen Mutter, Vater und Säugling. Dabei unterstützen die hier ermit-telten Ergebnisse schon seit längerer Zeit postulierte integrative Modelle (Belsky, 1984; Cierpka, 2003) anhand empirischer Daten. Das ermittelte Zusammenspiel intrapersonaler, interpersonaler und soziokultureller Faktoren bietet eine Grundlage für klinische Hypothesen-bildung in Interventions- und Präventionsmaßnahmen.

Document type: Dissertation
Supervisor: Kämmerer, Prof. Dr. Annette
Place of Publication: Heidelberg
Date of thesis defense: 27 September 2017
Date Deposited: 08 Jan 2020 09:18
Date: 2019
Faculties / Institutes: The Faculty of Behavioural and Cultural Studies > Institute of Psychology
DDC-classification: 150 Psychology
Controlled Keywords: frühe Triade, Familienbildung, Eltern-Säuglings-Forschung
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