TY - GEN KW - Fluchtraum KW - Gegenstandlosigkeit KW - umgekehrte Perspektiveabstraction KW - avant-garde KW - suprematism KW - primitivism KW - impressionism N2 - Die russische Avantgarde der 10er und 20er Jahre, die durch eine erstaunliche schöpferische Kraft und einen Reichtum an Erscheinungsformen gekennzeichnet ist, zieht schon seit längerer Zeit die Aufmerksamkeit von Forschern auf sich. Die Künstler der Avantgarde wählten in der Zeit ihrer Blüte aus der ganzen Formenvielfalt der äußeren Welt gerade die geometrischen Formen für die Darstellung der neuen Ideen über den Raum. Die neue Landschaftsdarstellung war zunächst geprägt durch die künstlerische Gestaltung des Erscheinungshaften und Transitorischen, die Fragmentierung des Raumes und den Verzicht auf Narration. Und neben allen diesen neuen Ideen geriet das Genre Landschaft natürlich in Vergessenheit. Aber viele Künstler der russischen Avantgarde, die sich in der Zeit ihrer Blüte hauptsächlich mit der räumlichen, extensiven Unendlichkeit beschäftigten, kehrten in den 30er Jahren zu dem Genre Landschaft zurück und sahen darin die Möglichkeit, sich einer zweiten Form der Unendlichkeit zuzuwenden - einer intensiven, raum-zeitlichen Unendlichkeit. Wir bezeichnen es als ?Rückkehr?, weil es kaum einen Künstler in der Geschichte der Avantgarde gibt, der sich am Anfang seiner schöpferischen Tätigkeit nicht mit den traditionellen Genres beschäftigt hätte. Schon Mitte der 20-er Jahre wurde der Bereich von freien Experimenten allmählich immer enger und stattdessen wendeten sich die Avantgardisten den traditionellen Genres Landschaft und Portrait zu. Die Künstler selbst und ebenso die Kunsthistoriker betrachten diesen Prozess oft als negativ. Selbst die Zuwendung der Avantgarde-Künstler zum Genre Landschaft bezeichnet man als einen Verfall des künstlerischen Schaffens. Bei genauer Betrachtung dieses Themas aber wird klar, dass Landschaft als Genre immer noch den Sinn behielt, den ihr der Künstler verliehen hatte. Malewitsch malte 1928-30 eine Reihe von Landschaften impressionistisch und datierte sie auf 1903-1904, was zu einer langjährigen Verwirrung der Kunsthistoriker führte. Malewitschs Freund Kliun griff in den 1930er Jahren in realistische Landschaftskunst zurück, reflektierte dabei weiterhin die Ausdrucksmöglichkeiten der konkreten Kunst. Russland ist in den Werken der emigrierten Maler wie Gontscharowa und Larionow eine Bewertung aus der Ferne, nicht ein reales, historisches Land, sondern ein stilistisches und bildhaftes. Sie wählten die Gattungen, die am besten für die Darstellung des künstlerischen Stils geeignet waren: Bühnenbilder, Skizzen für Theaterspiele und Buchillustrationen. Die Landschaftsmalerei wurde eine Art Zuflucht, oder, für die Künstler, die sich für eine Emigration entschieden hatten, ein Rückblick. Sie griffen oft auf die Techniken zurück, die sie schon in den Jahren 1905-1913 angewandt hatten, und auf die Stile der Vergangenheit, die in den 30er Jahren schon zum geschichtlichen Bestand geworden waren, den Impressionismus und klassischen Realismus. Eine genaue Analyse hat erwiesen, dass die gemalte Landschaft immer auch eine Projektionsfläche politischer, sozialer oder weltanschaulicher Einstellungen sein und damit die Primärrealität in künstlerischer Verdichtung spiegeln kann. AV - public A1 - Bordne, Marina TI - Landschaft als Fluchtraum : zum Problem des Genre in der Geschichte der Russischen Avantgarde UR - https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/150/ Y1 - 2005/// ID - artdok150 ER -