title: Claire, Rose, Blanche – James Ensors Bildstrategien in Liebesgärten, Nymphenbildern und dem Spätwerk creator: Dinter, Ina subject: ddc-750 subject: Painting subject: Benelux subject: Ensor, James subject: Liebesgarten subject: Nymphe subject: Abstraktion subject: Aktmalerei subject: Cézanne, Paul subject: Ingres, Jean-Auguste-Dominique subject: Iteration subject: Mariendarstellung subject: Leiblichkeit description: In unzähligen Büchern zu diversen Themen der Kunstgeschichte fehlt ein Kapitel über James Ensor. Dies ist hauptsächlich auf die schlechte Erforschung seines komplexen Spätwerks aus dem 20. Jahrhundert zurückzuführen. Erstmals liegt mit dieser Arbeit eine umfassende Studie der über dreißig Jahre umfassenden Schaffensphase und deren Neubewertung vor. Eine Neubestimmung der Persönlichkeit des Künstlers, seiner Sozialisation und des künstlerischen Netzwerks bildet die Grundlage der Ausführungen, die einen wortgewandten Ironiker offenbaren, der seine Position in der Kunstwelt im 20. Jahrhundert neu bestimmt. Im Fokus stehen die Werkgruppen der Liebesgärten und Nymphenbilder, die zwischen Mittelalter, Rubens, Watteau und den utopistischen Wunschbildern des 19. Jahrhunderts kunst- und geistesgeschichtlich kontextualisiert werden. In eine spezifische moderne Tradition stellt den Künstler die Strategie der Wiederholung, die als Verfahren die abstrakten Qualitäten der Motivbearbeitung in den Vordergrund rückt. In Versionen und Varianten reflektiert Ensor über Originalität und Serialität und die Bedeutung und Möglichkeiten der Malerei. Er experimentiert mit Bildmedien und Stil, und lässt den Zufall in seine Kunst einfließen. Die iterative Struktur des Spätwerks mit seinen vielfältigen interikonischen Bezügen wird an hochironischen Selbstportraits und animierten Stillleben verdeutlicht. In den Liebesgärten besteht ein Missverhältnis zwischen Bildthema und -aussage, was die gängige biographistische These von einem Paradies, das Ensor sich eingerichtet habe, widerlegt. Bildimmanente Brüche zeigen sich in der Addition grotesker Gestalten in ein ansonsten harmonisches Ambiente, der Verknüpfung von Liebe mit Narrheit, und in kitschigen Elementen wie Nippes-Figuren als Teil der Bildnarrative. Als grundlegendes strukturelles Merkmal des Spätwerks wird die Ironie bestimmt, die schon früh Ensors zitierenden Rückgriff auf die Kunstgeschichte prägt. Die Kritik an der Gesellschaft ist entgegen dem träumerisch-verspielten ersten Eindruck dieser neuen Bildwelten dadurch nicht weniger nachdrücklich als in den expliziteren Darstellungen des 19. Jahrhunderts. Seine Strategie der Selbstinszenierung als Retter der belgischen Kunst und das fortwährende Infragestellen dieses Anspruchs in seinem Werk wird im Kontext der Ironie begreifbar. Ebenso Ensors ungewöhnlichen Bildmontagen, die von Anregungen aus literarischen Drogenbeschreibungen über das belgische Marionettentheater bis zu den feinsinnigen Bildwelten Watteaus reichen, ist nur mit einem kritischen Begriffsapparat (von Appropriation über Pastiche und Travestie zum Zitat) beizukommen. Ein anderer Ensor, dessen Kenntnis auch neues Licht auf die Werke der 1880er und 1890er Jahre wirft, offenbart sich auch in seiner eigeninszenierten Rolle als Regisseur der eigenen Kunst. Bühnenartige Kompositionsweisen in verschiedenen Bildgattungen werden untersucht, die Werkgruppe der Tänzerinnen auf ihre Nähe zur Bühne hin befragt, und schließlich wird eine neue Interpretationsmöglichkeit der berühmten Maskenfiguren als Puppen oder Marionetten vorgeschlagen. Der Motivkomplex menschlicher Stellvertreterfiguren von Automaten bis Hampelmännern schärft den Blick für Problematiken wie Determination und Willensfreiheit und gleicht zunächst diskrepant erscheinende Bildfiguren wie Maskenfiguren und Tänzerinnen einander an. Unser Blick auf die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts erweitert sich durch die erstmalige Interpretation des Hauptwerks „La Gamme d’Amour (Flirt des Marionettes)“, einer Ballett-Pantomime, die zu Lebzeiten mit einigem Erfolg in Belgien aufgeführt wurde. Anhand der Komponenten Musik, Libretto, Gemälde und Kostümzeichnungen, und vor dem Hintergrund des symbolistischen Theaters und den avantgardistischen Ballets russes, wird das in Tableaus aufgebaute Gesamtkunstwerk analysiert und als moderne, durchaus abgründige, Commedia dell’Arte präsentiert. Entgegen der Forschungsmeinung, Ensors Kunst offenbare Misogynie, nimmt diese geradewegs eine Gegenposition zum klassisch-dualistischen Frauenbild des 19. Jahrhunderts ein. In obszönen Zeichnungen rechnet Ensor subtil mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Sexualität und Erotik ab. Die Graphiken stellen den begehrenden Blick stets in Anführungszeichen. Das Motiv Frauenakt reflektiert Farbe und personalisiert Malerei. Ensors Schriften zeigen Ansätze auf, Kunst als Ersatzreligion etablieren zu wollen. Dem Akt als abstraktem Konzept entspricht die werkimmanente Abstraktion vor allem der Nymphenbilder, die aufgrund bildbestimmender Helligkeit, Anti-Narration, Negation von Räumlichkeit und Zeitlichkeit und der vage stilisierten Idealität der Nymphen als figürlich-abstrakte Kompositionen gelten können. In der Arbeit werden zahlreiche (darunter viele bislang unbekannte) Zitate Ensors, dem als Schriftsteller in diesem Jahrhundert noch keine Aufmerksamkeit zuteil kam, erstmals ins Deutsche übertragen. date: 2015 type: Dissertation type: info:eu-repo/semantics/doctoralThesis type: NonPeerReviewed identifier: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/3620/ format: application/pdf identifier: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdokhttps://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/3620/1/Dinter_Claire_Rose_Blanche_James_Ensors_Bildstrategien_2015.pdf identifier: urn:nbn:de:bsz:16-artdok-36200 rights: info:eu-repo/semantics/openAccess language: ger