%0 Generic %A Schmitt, Sibylle %D 2019 %F artdok:6341 %R 10.11588/artdok.00006341 %T Effekte von Pettenkofers Regenerations-Verfahren, Versuchsreihen und Analyse von Malschichtmigrationen an regenerierten Gemälden des 17. Jahrhunderts %U https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/6341/ %X Max von Pettenkofer (1818-1901), Apotheker und Prof. für Hygiene in München, entwickelte 1863 das Regenerations-Verfahren, um Trübungen in Gemäldeoberflächen wieder transparent zu machen, dabei wandte zwei Substanzen an, Alkoholdampf und brasilianischen Copaivabalsam. Die völlig neuartige Applikationsform in der Dampfphase, sein fachfremder Beitrag und die einjährige Geheimhaltung der Balsamkomponente löste eine heftige Zeitungsdebatte aus, die Pettenkofer in seiner Publikation Über Ölfarbe 1870 rückwirkend aufgriff. Die Auseinandersetzung und die Publikation machte das Verfahren überregional publik, bis 1900 wurden Hunderte von Gemälden damit behandelt. Mit dem Begriff „Regenerierung“ definierte Pettenkofer nur das Ziel, das Wiederherstellen der Transparenz, er selbst führte mehr als zehn Arten der Behandlung an, seine Nachfolger modifizierten das Vorgehen mit alternativen Substanzen. Im Unterschied zum Reforming verbleibt der gequollene / gelöste und gealterte Firnis auf dem Gemälde. Zumindest bis in die 1970er Jahre blieb die „Regenerierung“ in der Gemälderestaurierung als effizienter Eingriff gängig, routinemäßig um zu prüfen, ob Trübungen überwiegend die Firnisschichtenfolge betrafen. Eigentümliche Veränderungen in Farbschicht und Firnisüberzügen an einer Reihe von Gemälden mit historischen Regenerierungen erwiesen sich unter dem Mikroskop als aufgerissene Malschichtstrukturen und Partikelmigrationen. Querschliffe belegten zweifelsfrei, dass Bestandteile der originalen Malschicht in den Firnis ausgebreitet vorlagen und sich beide Schichtenfolgen vielartig durchmischt hatten. Diese ernsthaften Schäden der Gemälde führen zu einem restauratorischen Dilemma: Bei einer Firnisabnahme würde man zwangsläufig auch migrierte originale Substanz entfernen und – wie sich zeigen ließ – eine Erweichung reaktivieren. Damit entziehen sich diese Gemälde einer verantwortungsbewussten Bearbeitung mit gängigen Lösungsmitteln, vor allem einer Abnahme der Firnisse. Um die Wirkung des Verfahrens und die Eigenart dieser Phänomene zu erforschen, wurde in dieser Arbeit die Beziehung zwischen den beobachteten Migrationen und dem Verfahren Pettenkofers auf mehreren Wegen untersucht: Pettenkofers Aussagen wurden ausgewertet und Gemälde, die er eigenhändigen regenerierte, chemisch analysiert und interpretiert. Pettenkofers Regeneriersubstanzen wurden als historisches Material vorgestellt. Ein eigens entwickeltes analytisches Verfahren diente dazu, Copaivabalsam einerseits in Handelsprodukten und flüssigen Proben aus Museumsbeständen und andererseits in regenerierten Gemälden nachzuweisen. In einem Exkurs wurden die wichtigsten alternativen Regeneriersubstanzen der Nachfolger Pettenkofers bis in das 20. Jh. angeführt. Das Wirkungsprinzip des Pettenkofer-Verfahrens wurde von der Verfasserin historisch adäquat experimentell nachvollzogen an natürlich gealterter Gemäldestruktur, die dafür zuvor kontrolliert krepiert worden ist. Dabei kamen Weingeist, Copaivabalsam und ein Destillat des Copaivabalsams einzeln und in verschiedenen Kombinationen an definierten Probenkörpern zum Einsatz. Der optische Effekt bei Präparation und Regenerierung wurde fotografisch in Aufsicht und Querschliffen dokumentiert. Auf diese Weise ließ sich prüfen, unter welchen Bedingungen und in welchen Gestalten spezifische Regenerierschäden entstehen und welchen Beitrag der Weichmacher Copaivabalsam dabei spielt. Der schon von Zeitgenossen bemängelte schädliche Nebeneffekt, der Verlust der Festigkeit, wurde mit zwei Verfahren und unterschiedlichen Bedingungen gemessen. Die Aufnahmen regenerierter Probenkörper dienten wiederum als Referenzmaterial bei der Diagnose regenerierter Gemälde. 40 Gemälde in verschiedenen Museen wurden mikroskopisch untersucht und annähernd tausend Aufnahmen von Malschichtschäden morphologisch verglichen. Als spezifisch erkannte Schadensphänomene mussten, soweit möglich, von gängigen Malschichtschäden abgegrenzt und neu benannt werden. Für die Erweiterung der Terminologie konnten weiterführende Anregungen aus Nachbardisziplinen, besonders der Geologie und Meteorologie gewonnen werden. Anhand des Referenzmaterials zeigte sich, in welchem Ausmaß die festgestellten Schäden als direkte Konsequenzen aus früheren Regenerierungsmaßnahmen zu bewerten sind. Die Ergebnisse der Reihenuntersuchung führten zu einem Schadenskatalog, im Sinne eines Handbuches wird die Besonderheit der Schäden für den Praktiker wieder erkennbar.