TY - BOOK ID - artdok6452 Y1 - 2019/// TI - Präsentation und Rezeption: Inszeniertes Heiltum im späten Mittelalter. Zur Interaktion von Bildern und Reliquien 1250 ? 1420 AV - public N2 - Die vorliegende Arbeit thematisiert Bereiche der mittelalterlichen Kunstgeschichte, die in den vergangenen Jahren ganz besonders im Fokus der Forschung standen: Zum einen geht es um die Funktion und die Kontextualisierung von ?Bildern?, womit auch der Bildbegriff im Mittelalter berührt ist, zum anderen um ?Reliquien? als verehrte Überreste von Heiligen oder Dingen, die mit ihnen im weitesten Sinn in Kontakt gekommen sind, als sakralisierte Objekte einer liturgischen, paraliturgischen oder auch persönlichen Erinnerungskultur. In der Untersuchung steht die bisher im größeren Zusammenhang kaum diskutierte Frage im Zentrum, inwieweit im Spätmittelalter, genauer gesagt seit der Zeit des mittleren bis ausgehenden 13. Jhs., eine neue Justierung des komplexen Verhältnisses zwischen Bild und Reliquie zu beobachten ist, die Auswirkungen auf beide ?Werkgruppen? hat: einerseits auf das sich transformierende Verständnis der verehrten Heiltümer in Frömmigkeit und Liturgie, andererseits auf die Bedeutung, die den figürlichen Bildern in diesem Prozess zukommt. Der Zeitraum, um den es geht (1250 bis 1420), ist nicht zufällig gewählt. Um 1250 lässt sich auf verschiedenen Ebenen eine neue Verbindung des ?Irdischen? mit dem ?Ideellen? feststellen, was einem gewissen Paradigmenwechsel gleichkommt, der auch die bildliche Ausgestaltung von Reliquienbehältern betrifft. Als chronologischer Endpunkt sind die Jahre um 1400 mit ihrem experimentellen Charakter gewählt, der entscheidende Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Bild und Heiltum in einer Zeit differenzierter Wirklichkeitserfahrung hatte. Die Beschränkung auf den geographischen Raum nördlich der Alpen bzw. West- und Mitteleuropa ist einerseits der der Materialfülle, andererseits einer gewissen Homogenität geschuldet, die den Werken hinsichtlich der hier gestellten Fragen anhaftet. Die Arbeit ist in fünf Hauptkapitel gegliedert: Das Reliquiar: Visualisierung und Imagination Ausgehend von der Frage, was eigentlich unter einem Reliquiar im späten Mittelalter zu verstehen ist, geht es vor allem um das Thema der ?Verbildlichung? der Reliquie bzw. um deren Objektivierung und Instrumentalisierung im ikonischen Kontext. Dabei kommt dem ?Betrachter? eine ganz neue, aktive Rolle zu, die wiederum in den Bildprogramen berücksichtigt wird. Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem Thema der Sichtbarkeit der Reliquien (vermehrt seit dem 13. Jahrhundert) und ihrer Bedeutung für deren Rezeption, wobei deutlich wird, dass das immer wieder bemühte angebliche ?Schaubedürfnis? des späten Mittelalters als Erklärung nicht hinreichend ist. Bildwerke als Reliquiengefäße und Bilder als Reliquien Dass auch Bildwerke als Reliquienbehälter dien(t)en, ist eine lange bekannte Tatsache. Inwiefern diese Funktion ihre Rezeption sowie ihren Kontext im fraglichen Zeitraum bestimmt hat, ist eine hier zur Diskussion stehende Frage, womit problematische Begriffe wie ?Kultbild? und ?Andachtsbild? berührt werden. Auf die Rolle des Bildes als Heiltum wird anhand des reliquienähnlichen Status´ von Bildern, die direkt mit Christus in Verbindung stehen, eingegangen. Das Reliquienretabel: Formen der Verehrung und Inszenierung Als neu aufkommendes, im Laufe des 14. Jahrhundert sich etablierendes Requisit der Altarausstattung kommt dem mit Flügeln verschließ- und wandelbaren Reliquienretabel besondere Bedeutung für unsere Fragestellung zu. Der Vorgang des Verhüllens und Verbergens von Bildern und Reliquien steht hier im Mittelpunkt der Betrachtung, wobei ersichtlich wird, dass den pignora eine ganz eigene, unverzichtbare Rolle im ?Verständnis? der Retabel zukommt und diese als Ergänzung der Bilder ? und umgekehrt ? zu werten sind. Räume und Schreine Das Kapitel weitet den Begriff des Reliquiars bewusst aus und bezieht größere räumliche Kontexte in die Untersuchung ein. Als Ausgangspunkt dient die Sainte-Chapelle in Paris mit ihrer Inszenierung der aus Konstantinopel erworbenen Passionsreliquien. Hier geht es um die Frage, ob und in welcher Form dieses Konzept an anderen Orten mit bedeutendem Reliquienbesitz nachgeahmt oder abgewandelt aufgegriffen wurde und welche Bedeutung dabei dem bildkünstlerischen Programm zukommt. Bild und Reliquie um 1400: Das Reliquiar als Kunstwerk Materialästhetische Aspekte stehen hier im Vordergrund und verdeutlichen, wie das Reliquiar selbst ? ähnlich der Reliquie - zu einem ?exotischen?, erlesenen und intimen joyau wird, dessen Ästehetik und ?Kunstfertigkeit? nunmehr bewusst eingesetzt sind, um dem verehrten Heiltum eine ihm gemäße Bildwelt an die Seite zu stellen. Die Kostbarkeit der verwandten Materialien ? etwa das email en ronde bosse in Frankreich oder die mit teuren Werkstoffen und aufwändigen Techniken hergestellten kleinformatigen Tafelbilder der Zeit ? korrespondiert mit den verehrten Heiltümern, die sie bergen oder auf die sie verweisen. UR - https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/6452/ A1 - Henze, Ulrich ER -