TY - GEN TI - Kognitive Heuristiken vom Typ Take-The-Best als Trainingstool für komplexes Problemlösen ? am Beispiel von Personenauskunftshotlines UR - https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/10724/ N2 - Take-The-Best (TTB) gehören zu den kognitiven Heuristiken aus der Kategorie One-Reason-Decision-Making, die es ermöglichen, bei komplexen Problemstellungen handlungsfähig zu bleiben. Beobachtungen von erfolgreichen Entscheidern konnten im Nachhinein zeigen, dass diese implizit nach TTB vorgehen. Nicht untersucht wurde bisher, ob komplexes Problemlösen verbessert werden kann, wenn sich Problemlöser vorab in Form eines Trainings mit bewährten Lösungswegen per TTB beschäftigen. Hier schließt diese Arbeit eine Wissenslücke, indem sie den Einsatzbereich von TTB-Heuristiken auf Trainingssettings erweitert: Die Heuristik wird hier als Tool eingesetzt, um prozedurales Wissen zu vermitteln und dadurch die spätere Jobperformance zu steigern. Das wird am Beispiel eines Trainings für die Vorbereitung von Mitarbeitern auf den Einsatz an Personenauskunftshotlines nach globalen Katastrophen überprüft. In Pretests an über 100 Studenten wurde ein Konzept für ein Kurz-Training für den Einsatz an Personenauskunftshotlines nach Großschadensereignissen entwickelt. Das Trainingskonzept wurde anschließend experimentell an 185 Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes aus ganz Deutschland per Prä-Post-Design evaluiert. Die Überprüfung der Hotlineperformance und gleichzeitig die Simulation von Komplexität erfolgte jeweils durch Verhaltensmessungen (Anrufsimulationen). Ein Berufsschauspieler simulierte dafür Anrufe live im Training. Die Experimentalgruppe (N = 107) trainierte mit einer auf Expertenerfahrungen basierenden TTB-Heuristik. Die Kontrollgruppe (N = 78) erhielt stattdessen ein allgemeines Kommunikationstraining (Treatment-as-usual). Beide Gruppen beschäftigten sich zusätzlich mit den für die Personenauskunft wichtigen Themen Psychotraumatologie und Stressmanagement. Unter Kontrolle biografischer Eckdaten, Bildungsniveau, Vorbildung, Persönlichkeitsprofil, Vortraumatisierung und Vorerfahrung bestätigen sich für den Hotlinekontext nach nur einer Stunde Training mit der Heuristik signifikante Performanceunterschiede zwischen Heuristik- und Kommunikationsgruppe: Teilnehmern, die mit TTB trainieren, gelingt es trotz der sehr komplexen Anforderungen an der Hotline, mehrere miteinander konfligierende Ziele gleichzeitig zu berücksichtigen. Training mit TTB hat außerdem positive Auswirkungen auf die aufgabenbezogene Selbstwirksamkeit und den positiven Affekt der Trainees: Mit TTB trauen sich Teilnehmer anschließend mehr zu und fühlen sich bei der Aufgabenbewältigung wohler. Obwohl ein Kommunikationstraining augenscheinvalide passend für die Vorbereitung von Mitarbeitern auf einen Hotlineeinsatz ist ? und in der Praxis immer wieder Anwendung findet ? wird das Heuristiktraining von den Teilnehmern als dreimal so nützlich für die spätere Aufgabenbewältigung bewertet. Schließlich zeigen textstatistische Analysen, dass Teilnehmer, die mit TTB trainieren, aufgabengerechter an der Hotline kommunizieren, also z. B. mehr verständnissichernde Rückfragen bei der Aufnahme personenauskunftsrelevanter Daten stellen. Zusätzlich durchgeführte korrelative Analysen von Kontrollvariablen und Variablen für Hotlineperformance prä Training ergeben, dass vor allem solche Personen für die Hotlinearbeit ausgewählt werden sollten, die extrovertiert, gewissenhaft und offen gegenüber Neuem sind. Ebenso erweisen sich Vorerfahrung und ein hohes Bildungsniveau als performancesteigernd. Die in der Freiwilligenstichprobe gegenüber Normalpopulationen fast um das Neunfache gesteigerte Vortraumatisierungsrate und nachgeschaltete Performanceanalysen belegen, dass bei der Mitarbeiterauswahl unbedingt ein Traumascreening durchgeführt werden sollte: Vortraumatisierte Helfer zeigen schon vor dem Training eine geringere Hotlineperformance als Personen, die kein Trauma in der eigenen Vorgeschichte haben. Zusammenfassend zeigen die Befunde, dass der Einsatz von TTB-Heuristiken als Tool in Trainingskontexten, die auf das Agieren in komplexen Situationen vorbereiten sollen, zu signifikanten Performanceveränderungen in den späteren komplexen Anwendungssituationen führt. Hervorzuheben sind die signifikanten Veränderungen auch bewältigungs- und leistungsrelevanter subjektiver Maße wie Selbstwirksamkeit und positiver Affekt. Wenn Trainees auf das Agieren in komplexen Situationen vorbereitet werden sollen, kann der Einsatz von TTB- Heuristiken empfohlen werden. Diese Arbeit erweitert damit den Anwendungsbereich von TTB-Heuristiken und eröffnet neue Perspektiven zur Trainierbarkeit komplexen Problemlösens. Auch der im Vergleich zu sonst üblichen Trainingsmaßnahmen stark verkürzte Zeitbedarf zur Vermittlung der Inhalte macht kognitive Heuristiken für Trainings so interessant. Pretests zeigten, dass die klassisch skelettartige Entscheidungsstruktur von Heuristiken für die Verwendung in Trainingssettings mit Kontextinformationen angereichert werden sollte, um den didaktischen Wert noch zusätzlich zu erhöhen.© by Lutz Lyding (www.lyding-training.de) ID - heidok10724 KW - Personenauskunft KW - Krisenmanagement KW - Callcenter KW - Hotline KW - Katastrophefamily enquiry center KW - complex problem solving KW - cognitive heuristics KW - training KW - disaster A1 - Lyding, Lutz AV - public Y1 - 2010/// ER -