TY - GEN ID - heidok13123 N2 - Die Arbeit geht der Frage nach, welche Rolle Schuldgefühle in der beruflichen Entwicklung von Psychotherapeuten spielen, und ob sich dabei relevante Unterschiede zu Schamgefühlen zeigen. Schamgefühle entstehen, wenn Menschen sich in Situationen als unangemessen oder unzulänglich erleben, und Misserfolge tendenziell dem gesamten Selbst zuschreiben. Bei Schuldgefühlen hingegen werden nur konkrete eigene Verhaltensweisen negativ bewertet. Zunächst wurde der FEMEP (?Fragebogen zur Erfassung moralischer Emotionen bei Psychotherapeuten?) entwickelt, ein szenariobasiertes Fragebogeninstrument zur Erfassung der Neigungen zu Schuld- und Schamgefühlen sowie kontrafaktischen Kognitionen bei Psychotherapeuten. Die Skalen, Szenarien und Items des FEMEP wurden rational-deduktiv entwickelt, und anschließend an einer Stichprobe von N=142 Psychotherapeuten nach faktorenanalytisch-induktiven Kriterien überprüft und weiter optimiert. Alle Skalen haben eine Einfachstruktur mit starkem erstem Faktor. Schuld- und Schamskala weisen in Bezug aufeinander eine sehr gute diskriminante Validität auf, ebenso wie die beiden kontrafaktischen Skalen. Die Reliabilitäten der Skalen liegen zwischen ?=.69 und ?=.83. Der FEMEP wurde anhand der Daten der Hauptstudie abschließend kreuzvalidiert und zeigte sich dabei von seinen Charakteristika weitgehend stabil. Dann wurde unter Mitarbeit von N=374 deutschsprachigen Psychotherapeuten eine quantitative Querschnittstudie durchgeführt. Es zeigte sich erwartungsgemäß, dass eine erhöhte Neigung zu Schamgefühlen mit einer Reihe von negativen Aspekten einhergeht, wenn auch teilweise nur schwach: erhöhte psychische Symptombelastung, höhere Burnoutwerte, vermindertes Kohärenzgefühl, niedrigere Selbstwirksamkeitserwartungen, aktuell empfundener therapeutischer Abbau, höhere Neurotizismuswerte, stärkere Neigung komplexe Situationen als Belastung zu bewerten anstatt Komplexität als Gegebenheit zu akzeptieren. Die Neigung zu Schuldgefühlen erwies sich hingegen als eine Größe, die unabhängig ist von psychischer Symptombelastung oder salutogenetischen Maßen. Dafür zeigten sich positive Zusammenhänge mit einer Reihe lern- und wachstumsassoziierter Aspekte: mehr persönliche Erfüllung und aktuell empfundenes therapeutisches Wachstum, positivere Einschätzung der eigenen therapeutischen Fähigkeiten, erhöhte Neigung Komplexität als Notwendigkeit zu akzeptieren, erhöhte Neigung zu kontrafaktischen Aufwärtsvergleichen und somit ?lernorientierten? Kognitionen. Weitere Befunde der Studie: ? Schuld- und Schamneigung hingen in mittlerem Ausmaß miteinander zusammen. Bei Frauen war der Zusammenhang stärker als bei Männern. ? Weibliche Therapeuten neigten mehr zu Schuldgefühlen als männliche. Bei der Schamneigung zeigte sich kein Geschlechterunterschied. ? Systemische Therapeuten und Tiefenpsychologen / Psychoanalytiker neigten bedeutsam weniger zu Schuldgefühlen als Gesprächstherapeuten; bei der Schamneigung zeigten sich hingegen keine Unterschiede. ? Psychotherapeuten mit pädagogischem Grundberuf neigten bedeutsam mehr zu Schamgefühlen als Psychologen und Mediziner. ? Die Neigung zu Schuldgefühlen zeigte sich in Kohorten mit unterschiedlich langer Berufserfahrung nahezu im gleichem Ausmaß. Die Neigung zu Schamgefühlen war jedoch in Kohorten mit längerer Erfahrung niedriger. Die möglichen Erklärungen und Ursachen für die verschiedenen empirischen Befunde werden in der Arbeit diskutiert. Es werden Empfehlungen ausgesprochen, wie Schamreaktionen vorgebeugt und begegnet werden kann, und wie man Schuldgefühle als lernassoziierte Phänomene aktiv nutzen kann. Abschließend werden Anregungen für die weitere Forschung gegeben. Zur Verbesserung des kausalen Verständnisses werden Längsschnittstudien und experimentelle Designs empfohlen, zur Vertiefung des inhaltlichen Verständnisses qualitative Studien. Es wird angeraten, bei zukünftigen Forschungsprojekten neben Selbstauskünften der Psychotherapeuten auch Fremdeinschätzungen und Therapieevaluationsdaten heranzuziehen. KW - berufliche KW - Entwicklung KW - Psychotherapeuten KW - kontrafaktisches KW - Denkenprofessional KW - development KW - psychotherapists KW - counterfactual KW - thinking TI - Schuldgefühle bei Psychotherapeuten : Querschnittstudie zur Abgrenzung von Schuld und Scham UR - https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/13123/ AV - public A1 - Junker, Stefan Y1 - 2011/// ER -