%0 Generic %A Grothues, Désirée %D 2010 %F heidok:13172 %K alltägliche Lebensführungeveryday life %R 10.11588/heidok.00013172 %T Leben und Lernen in der Sekundarstufe II – Eine komparative Studie zum (in-) formellen Lernen von Schülern in einer Regel- und einer Reformschule %U https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/13172/ %X Für die vorliegende Untersuchung wurden Schülerinnen und Schüler an zwei gymnasialen Oberstufen über einen Zeitraum von drei Jahren mehrfach befragt. Im Fokus stehen die inner- und außerschulischen Lernprozesse der Jugendlichen sowie die Gestaltungen des Verhältnisses von Schule und Lebenswelt, die im interschulischen Vergleich kontrastiert werden. Neben Schülerinnen und Schülern einer Regelschule nehmen Lernende des Oberstufen-Kollegs Bielefeld an der Studie teil. Auf Basis der qualitativen Interviewstudie zeigt sich, dass sowohl die Befragten der Regel- als auch die Schülerinnen und Schüler der Reformschule außerhalb des institutionalisierten Bildungswesens zahlreiche Lernprozesse initiieren. Als besonders relevante Lernorte in der Freizeit kristallisieren sich die Handlungsfelder der Peers, der Partnerschaften, des Sports, des Nebenjobbens und der Medien heraus. Das Lernen in informellen Zusammenhängen erfolgt häufig nebenbei zur Bewältigung alltäglicher Handlungsproblematiken und wird als subjektiv sinnhaft erlebt. Im strukturierten Bildungsraum Schule lernen die Jugendlichen anders und Anderes: Hier werden sie mit neuen, alltagsfernen, wissenschaftspropädeutischen Inhalten konfrontiert, die in strukturierter Weise von speziell hierfür ausgebildeten Pädagogen vermittelt werden. Es zeichnet sich ab, dass die Befragten ihre Bildungsbiografien aus diesem Zusammenspiel unterschiedlicher Lernerfahrungen konstruieren, dass formales und informelles Lernen einander ergänzen und voneinander profitieren (können). Hinsichtlich des Verhältnisses von Schule und Lebenswelt ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen den Regel- und den Reformschülerinnen und Schülern. Während die Regelschülerinnen und Schüler zur Trennung von Leben und Lernen tendieren, verschmelzen Inner- und Außerschulisches in der Gruppe der Kollegiatinnen und Kollegiaten des Oberstufen-Kollegs. Besonders deutlich wird der differente Umgang mit Schule und Lebenswelt auf der Inhaltsebene. Während schulische Themen den Regelschülerinnen und Schülern außerhalb des Unterrichts irrelevant erscheinen und gleichzeitig persönliche Interessen aus dem Unterricht ausgeklammert werden, beschäftigen sich die Lernenden des Oberstufen-Kollegs auch nach dem Pausenklingeln mit curricularen Inhalten und gestalten den Unterricht aktiv mit. Die Verflüssigung der Grenzen zwischen Schule und Leben, wie in der Gruppe der Kollegiatinnen und Kollegiaten zu betrachten, konvergiert mit der Konzeption dieser Einrichtung, die bewusst auf die Gestaltung der Schule als Lebensraum setzt. Analog zu weiteren Untersuchungen zur Schülerklientel an Reformschulen im Allgemeinen und am Oberstufen-Kolleg im Besonderen, lässt sich zudem eine selektive Schülerschaft attestieren: Trotz eines Aufnahmeschlüssels besuchen vor allem Jugendliche aus bildungsnahen Familien das Oberstufen-Kolleg. Weitere Abgrenzungsmerkmale zu anderen Schülergruppen sind auf der einen Seite die hohe Motivation zum und die starke Identifikation mit dem Besuch dieser Einrichtung. Auf der anderen Seite besitzen überdurchschnittlich viele Lernende fragmentierte Bildungsbiografien, berichten viele Jugendliche an dieser Einrichtung von negativen Schulerfahrungen. Aus diesem Zusammenspiel von alternativer Schulkonzeption und besonderer Schülerklientel entsteht eine Gestaltung von Schule, die konträr zu traditionellen Schulkonzepten steht.