%0 Generic %A Holzhauer, Ingmar %C Heidelberg %D 2013 %F heidok:15714 %R 10.11588/heidok.00015714 %T Landschaftsgeschichte und menschlicher Einfluss im Umfeld der Schwetzinger Hardt seit dem Würm-Hochglazial %U https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/15714/ %X Die Schwetzinger Hardt und die sie umgebenden ehemaligen Auenbereiche von Kinzig-Murg- Rinne und Leimbach bilden naturräumlich sehr gegensätzliche Landschaftseinheiten. Teilweise sind grundlegende Aspekte und landschaftsgenetische Zusammenhänge noch immer nicht verstanden oder überhaupt nicht wissenschaftlich untersucht worden. Die vorliegende Arbeit behandelt daher offene Fragen der Landschaftsgenese am nördlichen Oberrhein im Umfeld des zentralen großen Flugsandvorkommens der Schwetzinger Hardt seit dem Würm-Hochglazial. Drei wesentliche Themenkomplexe werden behandelt, die bei der bisherigen wissenschaftlichen Bearbeitung keine oder zu wenig Beachtung fanden oder aber einer Revision bedürfen: 1. Genese und Altersstellung der Flugsande und Flugsanddünen, 2. Evolution und flussgeschichtliche Zusammenhänge zu den nördlichen Abschnitten der Kinzig-Murg-Rinne, 3. Anthropogener Einfluss auf Relief und Boden mit besonderer Beachtung der naturräumlichen Übergangsbereiche. Die Arbeit verfolgt einen multimethodischen Ansatz. Neben der Anlage von Schürfgruben und Rammkernsondierungen zur Gewinnung von boden- und sedimentbezogenen Daten kommen auch bodenchemische und schwermineralogische Untersuchungen zum Einsatz. Zweidimensionale Informationen über sedimentologische Verhältnisse im Untergrund werden durch den umfassenden Einsatz der Geoelektrischen Tomographie gewonnen. Anhand des kombinierten Einsatzes der Geländemethoden können präzise Informationen über den Aufbau der oberen Bereiche des oberflächennahen Untergrundes generiert werden. Die Transformation auf eine übergeordnete, sowohl räumliche wie auch inhaltlich-interpretative Ebene erfolgt durch den Einsatz von Radiokohlenstoffdatierungen und die Hinzuziehung von OSL-Datierungen sowie durch die Auswertung digitaler Geländemodelle. Nach einer umfassenden Darstellung des Forschungsstandes zur regionalen Landschaftsgeschichte am Oberrhein werden die Untersuchungsergebnisse stets in Toposequenzen präsentiert und gegliedert nach den Teiluntersuchungsgebieten dargestellt. Nachfolgend werden die Ergebnisse zur Interpretation landschaftsgenetischer Zusammenhänge auf einer höheren räumlich-zeitlichen Ebene zusammengefasst und letztlich daraus landschaftsgeschichtliche Szenarien entworfen. Die erzielten Ergebnisse schließen Lücken im Forschungsstand, werfen dennoch neue Fragestellungen auf und lenken den Blick auf nach wie vor nicht geklärte Probleme der Landschaftsgeschichte im süddeutschen Raum. Bezogen auf die drei Themenkomplexe stellen sich die Ergebnisse wie folgt dar: 1. Es ist davon auszugehen, dass alle Flugsandvorkommen ihre ursprüngliche Anlage bereits präallerödzeitlich erfuhren, da auf allen zentralen Flugsanddünen LST- und schluffführende Hauptlagen entwickelt sind, die jungdryaszeitlich auf bereits vollständig entwickelten Flugsanddünen entstanden. Die Genese der Flugsanddünen ist somit mindestens in die Älteste oder Ältere Dryas zu stellen, in denen die Flugsande zu teilweise hohen, sich aus zahlreichen Parabeldünen zusammensetzenden Dünenstaffeln aufgeweht wurden. Nicht zuletzt aufgrund der kurzen Dauer beider Stadiale ist möglicherweise von einer teilweise schon wesentlich früheren Genese der Flugsandvorkommen im ausgehenden Hochglazial (~18–16 ka) auszugehen, sofern diese auf leicht erhöhten Bereichen der Niederterrasse zur Bildung kamen, die von den verbreitet auftretenden Hochflutereignissen nicht mehr erreicht werden konnten. Eine Fortführung der Flugsandgenese und Weiterentwicklung zu Parabeldünenzügen in der Ältesten und Älteren Dryas ist infolge der kurzfristigen Rückkehr zu kaltzeitlichen Bedingungen kaum zu bezweifeln. Flugsandremobilisationen fanden nach dem zügigen klimatischen Abschwung zu trocken-kalten Bedingungen in der zweiten Hälfte der Jüngeren Dryas nur in randlichen, zuvor von Teilabschnitten der Kinzig- Murg-Rinne oder von Rinnen im Neckarschwemmfächer seitenerosiv angegriffenen älteren Flugsanddünen statt. Die trocken gefallenen fluvialen Rinnen wurden schnell mit Gesamtweiten von 15 m bis im Einzelfall von ca. 200 m überdeckt. Zudem ist im Zusammenhang mit jungdryaszeitlicher äolischer Dynamik auf das im Rahmen dieser Arbeit erneut aufgeworfene Problem einer Deckschichtenbildung in Flugsanden hinzuweisen. Trotz der palynologischen Befunde, die auf eine Vegetationsbedeckung mit lichten Wäldern in der Jüngeren Dryas hinweisen, sprechen die Ergebnisse dieser Arbeit für gelisolifluidale Prozesse unter vegetationsarmen, kurzzeitigen periglaziären Umweltbedingungen. 2. Der Nordabschnitt der Kinzig-Murg-Rinne setzt sich aus zwei isochron entwickelten Abschnitten zusammen („Leimener Arm“ und „Mingolsheimer Arm“). Entgegen der in der bestehenden Literatur vertretenen Auffassung existierten sowohl der Leimener als auch der Mingolsheimer Arm bis zur Wende vom Atlantikum zum Subboreal fort, wobei der Leimener Arm im Holozän bereits stark verringerte Abflüsse aufwies. Aufgrund übereinstimmender Datierungen von Niedermoortorfen aus den Altläufen kann die in älteren Arbeiten postulierte Annahme einer synchronen Verlandung aller nördlichen Abschnitte der Kinzig-Murg-Rinne bestätigt werden. Dieser Vorgang dürfte mit dem Durchbruch der Murg zum Rhein im Raum Rauental bei Rastatt südlich Karlsruhe am Ende des Atlantikums in Verbindung zu bringen sein. Die zeitgleiche Existenz beider Arme lenkt den Blick auch auf die Diskussion um Gerinnebetttransformationen im Spätglazial. Im Nordabschnitt der Kinzig-Murg-Rinne räumlich eng benachbart existierten im Spätglazial synchron bereits stark mäandrierende (Mingolsheimer Arm) und mehrfadige, leicht sinuos schwingende Gerinnebettmuster (Leimener Arm). Die kontrovers diskutierte Frage nach einer Fortsetzung der Kinzig-Murg-Rinne nördlich des Neckarschwemmfächers unter Aufnahme des Odenwaldneckars kann nach den vorliegenden Ergebnissen verneint werden. Vielmehr sprechen die Befunde für zumindest episodische Abflüsse von mehreren fluvialen Rinnen im südlichen Neckarschwemmfächer zur Kinzig-Murg- Rinne, die während ihrer gesamten spätglazial-holozänen Existenzdauer im Bereich zwischen Ketsch und Mannheim-Rheinau in die rezente Rheinaue einmündete. 3. Die Befunde zu Art und Umfang des menschlichen Einflusses auf Relief und Böden des Untersuchungsgebietes ergaben ein kompliziertes Bild. Insbesondere in den naturräumlichen Grenzbereichen der Flugsanddünen und Auenbereiche liegen komplexe Abfolgen und Verzahnungen verursacht von prä-, syn- und postsedimentären Auelehmabsätzen und Flugsandremobilisierungen im Hoch- und Spätmittelalter vor. Erwartungsgemäß sind teilweise massive mittelalterliche Landschaftseingriffe mit Bildung mehrerer Meter mächtiger Kolluvien in der Schwetzinger Hardt nahe der mittelalterlichen Siedlungskerne nachweisbar. Kleinräumig treten hierbei große Unterschiede auf, die sicherlich direkt auf eine variierende Nutzung zurückzuführen sind. Die zentrale Schwetzinger Hardt ist hingegen auch im Bereich steiler Leehänge von Flugsanddünen kaum von Bodenerosionserscheinungen oder Flugsandremobilisationen betroffen, was auf geringere Nutzungsintensitäten mit niedrigem Anteil der die Bodenerosion begünstigenden Rodungsflächen im Mittelalter und der frühen Neuzeit zurückzuführen ist. Überraschend sind ebenfalls Ausmaß und Intensität von Bodenabtrag und Kolluviation im Bereich der Niederterrasse. Trotz allgemein nur geringer Reliefenergie sind gekappte Bodenbildungen und korrelate, teils mächtige Kolluvien in kleineren Geländedepression verbreitet anzutreffen. Der Umfang der Sedimentation lößbürtiger Auelehme aus den Einzugsgebieten von Leimbach und Kraich übertraf die erwarteten Ausmaße. Das frühmittelalterliche Auenniveau ist vollständig von hoch- und spätmittelalterlichen Auelehmen überdeckt worden. Die Hochwasserabflüsse müssen teilweise katastrophale Ausmaße gehabt haben, da neben den großen Mächtigkeiten der Auelehmpakete diese zudem sogar auf der Niederterrasse zum Absatz kamen.