TY - GEN N2 - 1685 kam es durch den Dynastiewechsel im Herrscherhaus der Kurpfalz von der reformierten Linie Pfalz-Simmern zur katholischen Linie Pfalz-Neuburg zu einem Umschwung in der territorialen Konfessionspolitik. Im Hallischen Rezess, dem Vertrag zwischen den beiden Linien, war eine Bestandssicherung für die beiden protestantischen Konfessionen in der Pfalz festgeschrieben worden. Nach dem Willen des neuen Kurfürsten Philipp Wilhelm (1685 ? 1690) sollten die Katholiken diesen gleichgestellt werden, auch um mit diesem Schritt und durch katholische Zuwanderung eine eigene Hausmacht im Territorium aufbauen zu können. Der Pfälzische Erbfolgekrieg mit Frankreich, der vor allem die Reformierten unter Druck setzte, führte unter Johann Wilhelm (1690 ? 1716) zu einer Verschärfung der konfessionspolitischen Linie, da sich mit Berufung auf den Westfälischen Frieden außerterritoriale Akteure wie Kurbrandenburg in der Kurpfalz engagierten und damit den kurfürstlichen Herrschaftsanspruch beschädigten. In der Folge strebte die kurfürstliche Seite verstärkt die Erlangung der vollständigen Kontrolle in der Konfessionspolitik, die entsprechende Auslegung der reichsrechtlichen Grundlagen und die Ausschaltung außerterritorialer Einflüsse an. Dies bedeutete auch, den Reformierten Kirchenrat vollständig in klar weltlich und somit fürstlich beherrschte Strukturen zu integrieren und den eigentlich auf der Reichsebene geregelten Bereich des Konfessionellen somit zu einem Ressort der Territorialpolitik zu machen. Dies verband sich mit dem generellen Anspruch der Reichsfürsten, in ihren Territorien die allein rechtsetzende Instanz darzustellen. Der Frieden von Rijswijk von 1697 lieferte dem pfälzischen Kurfürsten mit der Religionsklausel die Möglichkeit, auf einer Rechtsgrundlage zu agieren, die es ihm erlaubte, stärker als vom Reichsrecht in der protestantischen Auslegung vorgesehen, in konfessionelle Strukturen einzugreifen, etwa durch die Einführung des Simultaneums im Jahr 1698. Der Konflikt zwischen Territorial- und Reichsrecht führte in der Folge unter anderem zu einer Gesandtschaft des Corpus Evangelicorum an den pfälzischen Hof. 1705 kam Johann Wilhelm in Verhandlungen mit Brandenburg-Preußen Forderungen nach Zugeständnissen für die Reformierten nach. Er befriedete durch die Übereinkunft mit einem wichtigen protestantischen Akteur den Konflikt mit der Reichsebene und konnte der Landesherrlichkeit die Möglichkeit zu einem relativ freien Agieren im Umgang mit den konfessionellen Strukturen und den Aufbaus eines garantierten, katholischen Kirchenbesitzes sichern. Die gleichzeitig erfolgte Bestandsgarantie für reformierten Kirchenbesitz und Verwaltung brachte Johann Wilhelm zudem die Unterstützung der protestantischen Reichsstände für das dynastische Ziel, die fünfte Kur von Bayern zu übernehmen. Sein Nachfolger Karl Philipp (1716 ? 1742) trieb die Einbindung der konfessionellen Institutionen in herrschaftliche Strukturen voran, etwa durch eine klare Unterordnung des Kirchenrats unter die Regierung. Zwischen 1719 und 1724 kam es noch einmal zu einem massiven, konfessionspolitischen Konflikt, als die kurpfälzischen Reformierten der fürstlichen Forderung nach der Übergabe der Heidelberger Heiliggeistkirche für eine künftige Nutzung als Hofkirche nicht nachkamen und gleichzeitig der Heidelberger Katechismus aufgrund katholizismuskritischer Äußerungen und einer unerlaubten Verbreitung mit dem kurfürstlichen Wappen verboten wurde. Diese Konflikte führten zu einem massiven Engagement Brandenburg-Preußens, Englands, der Niederlande und Hessen-Kassels und verbanden sich in der Folge mit Differenzen zwischen den größeren Reichsständen und dem Kaiser. 1720 verlegte Karl Philipp, nach dem Scheitern der Übernahme der Heiliggeistkirche, die Residenz von Heidelberg nach Mannheim und schuf sich somit ein klar fürstlich konnotiertes Umfeld. In der Folge nahm der reichische Einfluss in der kurpfälzischen Konfessionspolitik ab, die Landesherrlichkeit wurde in den 1720er Jahren endgültig zum entscheidenden Akteur auch in Fragen der Konfessionspolitik. Die Grundlage der Konflikte in diesem Bereich bestand jedoch nicht in konfessionellen Unterschieden, sondern in den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, die die Akteure zur Legitimierung ihres Vorgehens heranzogen. Einfluss nahmen zudem Faktoren wie Dynastie, Herrscherbilder und institutionelle Mechanismen wie beispielsweise der Inanspruchnahme eines ?Rechts auf Weiterbestehen?. UR - https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/17513/ A1 - Murmann, Henning ID - heidok17513 KW - Geschichte 1685 - 1728 TI - Die Herrschaft über das Ganze - Die kurpfälzische Konfessionspolitik zwischen 1685 und 1728 als Schauplatz rechtlicher und institutioneller Konflikte Y1 - 2014/// AV - public ER -