%0 Generic %A Keßler, Katrin %D 2015 %F heidok:18754 %K Konsistenztheorie, Zurückweisungssensibilität, persönliche Werthaltungen, interpersonale Motive, rejection sensitivity, personal values, interpersonal motives, interpersonal Circumplex %R 10.11588/heidok.00018754 %T Interpersonale Zurückweisungssensibilität im Kontext depressiver Störungen %U https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/18754/ %X Hintergrund: Unter den verschiedenen Risikofaktoren zur Entstehung und Aufrechterhaltung depressiver Störungen haben sich kritische Lebensereignisse (Hammen, 2005), und hier insbesondere das Erleben sozialer Zurückweisung (Kendler et al., 2003) als besonders bedeutsam herausgestellt. Die Erforschung der psychologischen Mechanismen, die der besonderen Depressogenität sozialer Zurückweisung zugrunde liegen, ist dennoch als bisher vergleichsweise unzureichend und wenig theoriegeleitet zu bewerten. Unter Bezugnahme auf die Konsistenztheorie nach Grawe (1998; 2004) wurden daher in der vorliegenden Arbeit motivationale Grundlagen sowie kognitive und affektive Prozesse, die mit sozialer Zurückweisung einhergehen, näher untersucht. Von zentralem Interesse war dabei das kognitiv-affektive Vermeidungsschema Interpersonale Zurückweisungssensibilität (Downey & Feldman, 1996) sowie die Rolle der selbstreflexiven Emotion Scham (Tangney & Dearing, 2002). Neben einer Untersuchung der spezifisch interpersonalen motivationalen Grundlagen (Grosse Holtforth et al., 2011) dieses Vermeidungsschemas waren kurz- und längerfristige Auswirkungen von Zurückweisungssensibilität auf Variablen der psychischen Gesundheit mit dem Ziel eines umfassenderen Verständnisses der durch soziale Zurückweisung initiierten und aufrechterhaltenen depressionsspezifischen Prozesse von Interesse. Erstmals wurden die oben angeführten Zusammenhangsmuster zudem in einem deutsch-chilenischen Kulturvergleich auf individueller Ebene untersucht. Hierfür wurde das konsistenztheoretische Modell um kulturell überformte persönliche Werthaltungen (Schwartz, 1992) erweitert. Die Erfassung kulturvermittelnder Variablen auf Ebene der Individuen begegnet dabei der Kritik einer übergeneralisierenden Interpretation kultureller Unterschiede auf psychologischen Variablen einzig im Licht von a priori angenommenen individualistischen bzw. kollektivistischen Orientierungen auf nationaler Ebene (Fiske, 2002). Zur Überprüfung der sich ergebenden Fragestellungen wurden drei Teilstudien durchgeführt. Methode: Zur Überprüfung der kulturvergleichenden Fragestellungen (Teilstudie A) wurde eine Fragebogenuntersuchung an n = 48 deutschen und n = 36 chilenischen gesunden und depressiven Probandinnen durchgeführt. Neben Zurückweisungssensibilität (RSQ; Staebler et al., 2011a) und Schamneigung (TOSCA; Kocherscheidt et al., 2002) wurden persönliche Werthaltungen (PVQ; Schmidt et al., 2007), interpersonale Motive (IIM; Thomas et al., 2012b) sowie die Allgemeine Depressionsskala (ADS; Hautzinger & Bailer, 1993) und das Beck Depressionsinventar (BDI; Hautzinger et al., 1995) erhoben. Zu diesem Zweck waren das IIM (Exkurs 1) und der RSQ (Exkurs 2) vorab in jeweils eigenen Evaluationsstudien für die chilenische Stichprobe adaptiert worden. Zur Überprüfung von kurzfristigen Auswirkungen von Zurückweisungssensibilität (Teilstudie B) wurden n = 87 deutsche Probandinnen randomisiert einer von zwei experimentellen Bedingungen (Exklusion/Inklusion im Cyberball-Paradigma) zugewiesen. Neben den beschriebenen Fragebögen wurden vor und nach der Manipulation die aktuelle Emotionalität und Depressivität sowie nach der Manipulation Verhaltensintentionen abgefragt. Vorab war ein Messinstrument zur Erfassung der momentanen Depressivität (Exkurs 3) entwickelt und evaluiert worden. Im Rahmen einer Follow-Up-Fragebogenuntersuchung (Teilstudie C) wurden an n = 59 Probandinnen längerfristige Auswirkungen von Zurückweisungssensibilität untersucht. Neben dem RSQ und der ADS kam dabei eine eigens für die vorliegende Fragestellung adaptierte Liste mit Lebensereignissen zum Einsatz. Ergebnisse: Es ergaben sich für Chile stärker ausgeprägte selbst-überwindende Werthaltungen, für Deutschland hingegen stärker ausgeprägte selbst-erhöhende Werthaltungen. Die Werthaltungen standen nicht in Bezug zu depressiven Symptomen. Es ergaben sich keine nationalen Unterschiede in Zurückweisungssensibilität, allerdings zeigte sich, dass Scham nur in der deutschen, nicht jedoch in der chilenischen, Stichprobe mit Depression assoziiert war. Beide Variablen standen in spezifischer Weise mit dem interpersonalen Motiv Verschlossenheit in Verbindung. Es ergab sich kein Effekt der Zurückweisungssensibilität auf Veränderungen in der Emotionalität und Depressivität in Abhängigkeit von der experimentellen Bedingung. Zurückweisungsbezogene Lebensereignisse korrelierten in spezifischer Weise mit Zurückweisungssensibilität und Depressivität, der Zusammenhang zwischen den Lebensereignissen und depressiven Symptomen wurde über Zurückweisungssensibilität vermittelt. Diskussion: Die Ergebnisse passen sich größtenteils gut in die aus dem konsistenztheoretischen Rahmenmodell abgeleiteten Überlegungen ein, allerdings kann die Erweiterung des Modells um Werthaltungen in Frage gestellt werden. Auch wenn sich die Kulturunterschiede in den Werthaltungen gut in bestehende Kulturtheorien einpassen, bleibt ihr Erklärungswert für konkretes Erleben und Verhalten unklar. Die interpersonalen Motive scheinen hier durch einen engeren Bezug zu spezifischen Situationen einen höheren Erklärungswert zu haben. Die Ergebnisse der experimentellen Studie sprechen nicht für einen unmittelbaren Effekt von Zurückweisungssensibilität auf das Erleben und Verhalten bei sozialem Ausschluss, was jedoch der konkreten Operationalisierung geschuldet sein könnte. Langfristig scheint Zurückweisungssensibilität maladaptive Konsequenzen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Depressionen zu haben.