TY - GEN ID - heidok36401 A1 - Iwer-Docter, Lukas Benjamin CY - Heidelberg TI - Zur Bedeutung intersubjektiver Anerkennung für die Entstehung und Therapie von Schizophrenien ? phänomenologische und sozialpsychiatrische Beiträge UR - https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/36401/ N2 - In der vorliegenden Arbeit wird die Fragestellung untersucht, welche Bedeutung Erfahrungen von Anerkennung für die Entstehung und Therapie der Schizophrenie besitzen. Die Arbeit setzt an gegenwärtigen Debatten der Sozialpsychiatrie sowie der Phänomenologischen Psychiatrie zur Relevanz sozialer Faktoren für das Verständnis von Schizophrenien an. In der Einleitung werden aktuelle Positionen zum psychiatrischen Verständnis von Schizophrenien vorgestellt, die Relevanz von Anerkennungstheorien für die vorliegende Fragestellung skizziert sowie die theoretischen Hintergründe der Arbeit in der Sozialpsychiatrie, Phänomenologischen Psychiatrie und Kritischen Theorie dargestellt. Im zweiten Kapitel wird das psychiatrische Störungsbild der Schizophrenie diagnostisch, psychiatriehistorisch und epidemiologisch eingeordnet. Im Anschluss werden aktuelle Befunde zur Entstehung, Aufrechterhaltung und Therapie der Schizophrenie dargestellt, die eine Relativierung einer vornehmlich biologischen Perspektive auf das Verständnis von Schizophrenien nahelegen und verstärkt psychosoziale Aspekte in den Blick psychiatrischer Forschung rücken. Darauffolgend wird die Schizophrenie aus einer phänomenologischen Perspektive als Störung des basalen Selbsterlebens beschrieben, die mit einer Veränderung des Zeiterlebens und der Handlungsfähigkeit der Betroffenen einhergeht. Phänomenologische Forschungsarbeiten zur Relevanz intersubjektiver Faktoren für die Entstehung und Therapie von Schizophrenien werden dargestellt, an die mit einer Phänomenologie der Anerkennung angeschlossen wird. Die wesentlichen anerkennungstheoretischen Vorarbeiten für die hier entwickelte Phänomenologie der Anerkennung stammen von der Psychoanalytikerin Jessica Benjamin sowie dem Philosophen Axel Honneth, beide Vertreter*innen der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. In der Darstellung dieser Arbeiten wird Anerkennung einerseits als im Sozialisationsprozess erworbene Haltung gegenüber anderen Personen bestimmt, die diesen anzeigt, dass sie einen Wert für die jeweils andere Person besitzen. Darüber hinaus wird Anerkennung als wechselseitige Beziehung beschrieben, in der zwischenleibliche sowie sprachliche Aspekte zentral sind, die ein Vertrauen in die soziale Welt ermöglichen. Die kontinuierliche Erfahrung von Anerkennung wird als bedeutsam für psychische Gesundheit und ein selbstbestimmtes Leben begriffen. Eine erste anerkennungstheoretische Analyse der Schizophrenie des Sozialpsychiaters Erich Wulff wird dargestellt und kritisch gewürdigt. Im Anschluss daran werden empirische Befunde zur sozialen Bedingtheit von Schizophrenien anerkennungstheoretisch analysiert. Gegenwärtige sozialpsychiatrische Forschungsarbeiten werden im Modell des Social Defeat zusammengefasst, der wiederholten Erfahrung sozialer Ausgrenzung, die einen Risikofaktor für die Entstehung von Schizophrenien darstellt. Social Defeat wird als Form des Ausbleibens von Anerkennung und der Missachtung konzeptualisiert und anhand der Beispiele der Psychiatrisierung psychotischer Erfahrungen, des Rassismus sowie der Wohnungslosigkeit phänomenologisch dahingehend analysiert, inwiefern jene Ausgrenzungserfahrungen mit Veränderungen der basalen Erfahrungsstrukturen des subjektiven Erlebens einhergehen, die dem Erleben in der Schizophrenie ähneln. In einem nächsten Schritt werden mit Soteria-Einrichtungen, der modifizierten psychodynamischen Psychosen-Psychotherapie sowie dem Trialog gegenwärtige psychosoziale Hilfsangebote bei Schizophrenien dargestellt und dahingehend analysiert, inwiefern darin eine Haltung der Anerkennung gegenüber dem subjektiven bedeutsamen Erleben der Schizophrenie-Betroffenen zum Ausdruck kommt und inwiefern der begleitende, strukturierende therapeutische Umgang mit Psychoseerfahrungen eine Form wechselseitiger Anerkennung darstellt. Des Weiteren wird die kognitive Anerkennung des Erfahrungswissens von Betroffenen und Angehörigen im Trialog beschrieben und als bedeutsamer Faktor für eine partizipative Gestaltung der Psychiatrie in der Zukunft bestimmt. Die vorliegende theoretische Arbeit gibt auf der Basis einer phänomenologischen Methodologie Hinweise darauf, dass intersubjektive Anerkennung eine Rolle bei der Entstehung und Therapie von Schizophrenien spielen kann. Sie verbindet damit gegenwärtige sozialpsychiatrische und phänomenologische Debatten und trägt zu einem besseren Verständnis der intrapsychischen Mechanismen der Entstehung psychotischen Erlebens und seiner Therapie bei. Aus diesen Befunden lassen sich sozialpolitische Konsequenzen hinsichtlich der hohen Relevanz von sozialer Ungleichheit und Diskriminierungserfahrungen für die Entstehung einer schweren psychischen Störung wie der Schizophrenie ableiten. Für die klinische Praxis zeigt sich die große therapeutische Bedeutung einer anerkennenden Grundhaltung gegenüber psychotischem Erleben sowie der zentrale Stellenwert der therapeutischen Beziehung für das Gelingen von Psychosen-Psychotherapie, die durch wechselseitige Anerkennung gekennzeichnet sein sollte, welche sich insbesondere in zwischenleiblichen Prozessen manifestiert. Y1 - 2025/// AV - public ER -