German Title: Quelle von Autorität: Zitatorische Praxis in der kommunistischen Propaganda Chinas
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Abstract
The main objective of this work is the relationship between innovation and imitation as seen in the quotational use made of a canon. My interest is the seemingly contradictory relation between a canon that is fixed in wording and sometimes even in the way it is to be interpreted on the one hand, and on the other the volatility and ambiguity that is implied in what Garber terms the “quotable quote” (Garber 2003:17). I see quotation as the most important tool in bridging the gap between a static canon and a changing world. Without quotation the canon cannot and will not survive. Bridging the gap, however, entails changes to the quotation. Those changes, i.e. the different techniques used to accommodate an extant formulation into a new textual creation, are the objects of analysis of this work. By changing the interpretation or context, but also by ‘discovering’ the ‘true’ origin of a quotation, the meaning thereof can be redefined. Thus, neither the quotation nor its meaning is stable. However, although all parts constituting the definition of a quotation (formulation, author, source text or context) are prone to manipulation, yet quotations (and especially canonical quotations) possess authority. This authority, this power of persuasion quite paradoxically rises with every instance of quotation, though each instance of quoting might have changed the ‘original’, even if only a bit. Where, then, does this authority derive from? How does quotation affect the authority of the canon as a whole and of each article therein? I argue that quotation ‘classics’ are not made, they are quoted: It is the quoter and not the author of a text who wields the (democratic) power of choosing the ‘quotable’. The prescribed canon becomes the chosen classic. The focus of my dissertation is on the propagandistic use of (Mao) quotations in newspaper articles of People’s Daily since the founding of the People’s Republic of China in 1949. In five case studies I illuminate the reciprocal influence between quotation and canon, between innovation and imitation in modern China. In a first chapter, I assay to situate my case studies in an historical, institutional and theoretical framework. The second chapter of my thesis comprises three shorter case studies analysing different lifecycles of quotations: the lifecycle of “Seek truth from facts (shishi qiushi)”, a Han dynasty quotation revived and successfully popularised by successive leaders of the Chinese Communist Party; the lifecycle of “Smash the Confucian shop (dadao kongjiadian)”, an ‘invented’ May Fourth quotation, and the lifecycle of “The working class has to lead everything (gongren jieji bixu lingdao yiqie)”, a short-lived Cultural Revolution quotation star. In these three case studies I ask how quotations are ‘made’, introduced into the discourse, repeated, duplicated, recycled, reconstructed, and extinguished. What differing meanings are given to the same quotation by usage in different contexts? I chose the image of a lifecycle, because I believe that quotations are not only used, manipulated, or stigmatised, but that they (can) possess a life of their own in people’s memory that is not easily altered or wiped out, but forces itself back into public discourse at unexpected moments in history. In Chapter 3, I discuss in detail how one single text of the canon, namely a 1941 speech of Mao Zedong entitled “Reform Our Study (gaizao women de xuexi)”, is excavated for quotations. This study may provide insights into the ‘selling’ or ‘popularisation’ of a canonical text. What sentences or sentence parts are chosen for later quotation? What policies can be and are legitimised by reference to the same authoritative source text? The fifth case study takes yet another perspective: it has been repeatedly claimed that anniversary articles of People’s Daily are interchangeable, that is they read the same every year. In respect of quotations, this statement implies that the choice of quotations when writing anniversary articles is at least limited. Hence, in my last study I attempt a close reading of May Fourth anniversary articles. How is the story of this movement – canonised in a 1939 article and enclosed in the Selected Works of Mao Zedong – retold every ten years? How are quotations employed to bridge the gap between the original movement of 1919, the normative history thereof written in 1939, and each subsequent ‘present’? How does the narrative and thus the canon change over time?
Translation of abstract (German)
Welche Rolle spielen Imitation und Innovation beim Zitieren eines Kanons? Im Fokus dieser Arbeit steht die scheinbar widersprüchliche Beziehung zwischen einerseits dem Kanon, dessen Ausdruck und manchmal sogar Interpretation für die Ewigkeit fixiert ist, und andererseits dem „zitierbaren Zitat“ (Garber 2003:17), flüchtig und ambigue in seiner Natur. Das Zitat ist, meiner Ansicht nach, das wichtigste Instrument, um die Lücke zwischen dem statischen Kanon und der sich verändernden Welt zu überbrücken. Kein Kanon kann überleben, wenn er nicht zitiert wird. Überbrückung aber zieht Veränderung nach sich, Veränderungen des Zitates und damit indirekt des Kanons. Diese Veränderungen, d.h. die unterschiedlichen Techniken mit denen eine bestehende Phrase in einen neuen Text eingepasst wird, sind das Objekt dieser Studie. Eine neue Interpretation oder ein anderer Kontext verändern die Bedeutung eines Zitates. Dies kann aber auch durch das ‚Entdecken‘ des ‚wahren‘ Ursprungs eines Zitates geschehen. Somit sind weder das Zitat noch seine Bedeutung stabile Entitäten. Und obgleich alle Aspekte, die das Zitat scheinbar definieren und fixieren, nämlich Formulierung, Autor, Ursprungstext oder Kontext, manipulierbar sind, so besitzen Zitate (insbesondere kanonische Zitate) Autorität. Diese Autorität, diese Kraft zu Überzeugen, steigt paradoxerweise mit jedem Gebrauch des Zitats, obwohl es damit jeweils leicht verändert wird. Woher aber stammt diese Autorität? Und welchen Effekt hat Zitieren auf die Autorität des Kanons? Ich argumentiere, dass ‚Zitat-Klassiker‘ nicht gezielt erzeugt werden können, sondern durch zitieren enstehen: Nicht der Autor eines Textes, sondern der Zitierende besitzt die (demokratische) Macht das ‚Zitierbare‘ auszuwählen. Der von oben verordnete Kanon verwandelt sich so in das Gewählte, Klassische. Im Fokus dieser Arbeit steht der Nutzen, der von (Mao) Zitaten in Artikeln der Volkszeitung seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 gemacht hat. In fünf Fallstudien beleuchte ich den wechselseitigen Einfluss zwischen Zitaten und Kanon, zwischen Innovation und Imitation im modernen China. In einem einleitenden Kapitel situiere ich die darauf folgenden Fallstudien historisch, institutionell und theoretisch. Das zweite Kapitel der Arbeit enthält drei kürzere Fallstudien, in denen Lebenszyklen von Zitaten analysiert werden: der Lebenszyklus von „Die Wahrheit in den Tatsachen suchen (shishi qiushi)”, ein Han-zeitliches Zitat, dass mehrere aufeinanderfolgende Führer der Kommunistischen Partei Chinas wiederbelebt und erfolgreich popularisiert haben; der Lebenszyklus von „Zerschlagt den Konfuzianer Laden (dadao kongjiadian)”, ein ‘erfundenes’ Vierte Mai Zitat, sowie den Lebenszyklus von “Die Arbeiterklasse muss alles führen (gongren jieji bixu lingdao yiqie)”, ein kurzlebiger Kulturrevolutionsstar. In diesen drei Fallstudien untersuche ich, wie Zitate ‚gemacht‘ werden, d.h. wie werden sie in den Diskurs eingeführt, wiederholt, reproduziert, wiederaufbereitet, rekonstruiert und vernichtet. Welche unterschiedlichen Bedeutungen kann dasselbe Zitat in verschiedenen Kontexten annehmen? Ich habe das Bild des Lebenszyklus gewählt, weil ich glaube, dass Zitate nicht lediglich benutzt, manipuliert oder stigmatisiert werden, sondern dass sie ein Eigenleben in der Erinnerung der Menschen entwickeln können, dass nicht so einfach verändert oder ausgelöscht werden kann, sondern sich im Gegenteil an unerwarteten Stellen wieder Zugang zum öffentlichen Diskurs verschafft. In Kapitel 3 untersuche ich, wie ein einzelner kanonischer Text, nämlich die 1941er Rede „Unser Studium umgestalten (gaizao women de xuexi)“ von Mao Zedong, nach Zitaten ausgebeutet wurde. In dieser Studie wird der ‚Verkauf‘ oder die ‚Popularisierung‘ eines kanonischen Textes beleuchtet. Welche Sätze oder Teilsätze werden als Zitat ausgewählt? Welche politischen Strategien können und werden durch Referenzen auf denselben Quelltext legitimiert? In der fünften Fallstudie wird wiederum eine neue Perspektive eingenommen: Es wurde wiederholt behauptet, dass Artikel der Volkszeitung, die zu Jahrestagen erscheinen, austauschbar sind, d.h. sie enthalten jedes Jahr den gleichen Inhalt. In Bezug auf Zitate impliziert diese Behauptung, dass die Auswahl von Zitaten zumindest beschränkt ist. Dies soll nun in der letzten Fallstudie untersucht werden anhand einer Analyse von Gedenkartikeln zur Vierten Mai Bewegung. Wie wurde die Geschichte dieser Bewegung – kanonisiert in einem Mao Artikel von 1939 – alle zehn Jahre nacherzählt? Wie werden Zitate verwendet, um die Lücke zwischen der eigentlichen Bewegung von 1919, der Meistererzählung von 1939, und der jeweiligen Gegenwart zu überbrücken? Wie verändert sich die Erzählung und welchen Effekt hat das auf den Kanon?
Document type: | Dissertation |
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Supervisor: | Mittler, Prof. Dr. Barbara |
Date of thesis defense: | 26 February 2009 |
Date Deposited: | 29 Sep 2010 12:04 |
Date: | 2008 |
Faculties / Institutes: | Philosophische Fakultät > Institut für Sinologie |
DDC-classification: | 950 General history of Asia Far East |
Controlled Keywords: | Kommunistische Partei Chinas, Propaganda, Maoismus, Zitatenanalyse |
Uncontrolled Keywords: | Volkszeitung (Peking)Chinese Communist Party , Propaganda , Maoism , Quotation Analysis , People's Daily |