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Die Perspektive von Hausärzten und Psychotherapeuten auf Videokonsultationen durch Psychotherapeuten in der Hausarztpraxis – Eine qualitativ-explorative Studie

Hoffmann, Mariell

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Abstract

Lange Wartezeiten und Knappheit von Kapazitäten stellen große Herausforderungen der Gesundheitsversorgung, insbesondere für die der Menschen mit psychischen Störungen, dar. Innovative integrierte Versorgungsmodelle haben das Potenzial, Versorgungslücken zu schließen und Sektorengrenzen zu überwinden. Eine Möglichkeit sind Videokonsultationen durch Psychotherapeuten in der Hausarztpraxis, da die Hausarztpraxis als niedrigschwelliger Zugang vorteilhaft erscheint und Videokonsultationen bereits als ein klinisch effektives und von Patienten akzeptiertes Behandlungsmodell gelten. Das Ziel dieser Arbeit war die Exploration der Barrieren, Chancen und Anforderungen an Videokonsultationen durch Psychotherapeuten in der Hausarztpraxis aus Sicht von Hausärzten und Psychotherapeuten. Dazu wurden semi-strukturierte Fokusgruppen und Interviews mit 31 Hausärzten und Psychotherapeuten geführt und mittels einer Triangulation von qualitativer Inhaltsanalyse und dokumentarischer Methode analysiert. Im Ergebnis ist eine Typologie aus sogenannten „Pragmatikern“ (Befürwortern) und „Konservativen“ (Skeptikern) entstanden, die Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede aufweist. Eine wesentliche grundsätzliche Anforderung an Videokonsultationen ist neben der technisch uneingeschränkten Funktionalität und organisatorischen Aspekten wie einer einfachen Bedienbarkeit und Integrierbarkeit in Praxisalltag die Klärung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten der am Prozess beteiligten Gesundheitsversorger. Sowohl die Konservativen, als auch die Pragmatiker orientieren sich an den Prinzipien ihrer Profession, mit jeweils unterschiedlichem Schwerpunkt: Die Konservativen zeigen eine Abwehrhaltung gegenüber Videokonsultationen und argumentieren primär prozessorientiert. Sie orientieren sich an bestehenden Handlungspraktiken im Rahmen von professionslogischen Konventionen, die dem Erhalt bzw. der Herstellung handlungspraktischer Sicherheit im Versorgungsprozess dienen. Im Rahmen von Videokonsultationen befürchten die Konservativen ihre gewohnten Handlungspraktiken nicht nach dem gewohnten Muster anwenden zu können, was eine wesentliche Barriere darstellt. In der Folge sehen sie die kompetente Erfüllung ihrer Rolle des Versorgers im Sinne der Profession als gefährdet an und antizipieren Einschränkungen hinsichtlich der Prozessqualität der Versorgung. Demgegenüber sehen die Pragmatiker in Videokonsultationen die Chance, die Patientenversorgung zu verbessern respektive den Patienten ein gutes Versorgungsangebot zu machen und damit ihrer Helferidentität Ausdruck zu verleihen. Sie argumentieren ergebnisorientiert und zeigen Flexibilität und Umgewöhnungsbereitschaft. Die Pragmatiker orientieren sich an der Maxime ihrer jeweiligen Profession, nämlich das Handeln am Wohl der Patienten auszurichten. Obwohl sie auch Nachteile wie die fehlende persönliche Interaktion zwischen Therapeut und Patient bedenken, überwiegt aus ihrer Perspektive der Nutzen auf Ebene der Ergebnisqualität, dem Patienten ein Versorgungsangebot machen zu können. Auf Grundlage der hier vorgestellten Ergebnisse, 105 kann die Hypothese aufgestellt werden, dass die Zugehörigkeit zu einer der beiden Professionen, also Hausarzt oder Psychotherapeut, nicht per se mit einer aufgeschlossenen oder skeptischen Haltung gegenüber Videokonsultationen einhergeht. Vielmehr ist die Orientierung an den jeweiligen Prinzipien der Profession ausschlaggebend, also 1) die Patientenversorgung zu verbessern und 2) die Orientierung an den auf Leiblichkeit basierenden professionellen Handlungspraktiken und -regeln. Diese Arbeit hat die Einstellungen zu Videokonsultationen von Psychotherapeuten und Hausärzten untersucht, die allerdings keine praktischen klinischen Erfahrungen mit diesem Medium hatten. Dennoch stellt diese Arbeit eine aufschlussreiche und anschlussfähige Ergänzung zu der bisherigen Literatur dar, die überwiegend entweder aus klinischen Studien zur Wirksamkeit, deskriptiven Arbeiten oder Theorien zum Einsatz und zur Implementierung von telemedizinischen Versorgungsangeboten besteht. Während die bisherigen Studien zu den Einstellungen zu Telemedizin im Allgemeinen und Videokonsultationen im Speziellen überwiegend positive Ergebnisse erbrachten, fügt die hier vorgestellte Typologie neue Erkenntnisse hinzu, beispielsweise hinsichtlich der der Skepsis zugrunde liegenden Orientierungsrahmen. Die Typologie weist Gemeinsamkeiten mit den Adopter-Kategorien der Diffusion of Innovations Theorie und dem Technology Acceptance Model auf, geht aber in einigen Teilen auch darüber hinaus und liefert neben konkreten Barrieren, Chancen und Anforderungen detaillierte Charakteristika der Befürworter (Pragmatiker) und Skeptiker (Konservative) von Videokonsultationen. Die aktuellen Änderungen der Versorgungslandschaft unterliegen einem schnelleren Wandel als dies bei den Normen der Professionen der Fall ist. Daher darf der Anspruch innovativer Versorgungsformen wie Videokonsultationen nicht sein, einen Ersatz für persönliche Behandlungen darzustellen. Vielmehr erscheint das Modell geeignet, bestehende Versorgungsdefizite wie die unzureichende diagnostische Abklärung, die akute Krisenversorgung, die Überwindung von patientenseiteigen Hemmschwellen und die Überbrückung von Wartezeiten aufzufangen und einen offenen und realistischen Austausch aller am Prozess Beteiligten zu gewährleisten. Bei der Einführung neuer Versorgungsformen generell sowie Videokonsultationen im Speziellen ist es wichtig, dass sich die Zielgruppe, die die Innovation umsetzen soll, damit identifizieren kann. Dies unterstreicht die Relevanz von Trainings und die Einbindung telemedizinischer Behandlungsformen wie Videokonsultationen in den Prozess der Professionalisierung, zum Beispiel frühzeitig bei der therapeutischen und hausärztlichen Ausbildung sowie auch in der kontinuierlichen Weiterbildung.

Document type: Dissertation
Supervisor: Wild, apl. Prof. Dr. sc. hum. Beate
Place of Publication: Heidelberg
Date of thesis defense: 15 December 2021
Date Deposited: 16 Mar 2022 13:02
Date: 2022
Faculties / Institutes: Medizinische Fakultät Heidelberg > Psychosomatische Universitätsklinik
Controlled Keywords: Psychosomatik
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