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Abstract
Mentalisieren beschreibt die Fähigkeit, mentale Zustände wie Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse, die dem eigenen Verhalten und dem Verhalten anderer zugrunde liegen, wahrzunehmen und zu verstehen (Fonagy et al., 2002). Effektives Mentalisieren kann definiert werden als die Herstellung einer neuen, bedeutungsvollen Verbindung zwischen Kognition und Affekt, die die intrapsychische Funktionsweise verändert und dadurch neues Verhalten ermöglicht. In Psychotherapien wird Mentalisierung als potenzieller Wirkmechanismus diskutiert. Jedoch ist unklar, wie Mentalisieren sich über den Therapieverlauf hinweg entwickelt und wie es durch therapeutische Interventionen gezielt beeinflusst werden kann. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, mit Hilfe von insgesamt fünf empirischen Studien, modellhaft die Veränderung von Mentalisieren in der Psychotherapie im Rahmen eines Phasenmodells darzustellen, die Wichtigkeit der Differenzierung in die Dimensionspole Selbst und Andere herauszustellen und Implikationen für therapeutische Interventionen abzuleiten. Außerdem ist es ein Ziel dieser Arbeit einen Fragebogen zur Erfassung der Mentalisierung von Emotionen bezogen auf das Selbst und andere zu entwickeln und zu validieren, der zukünftig für die Prozessforschung eingesetzt werden kann. In den Studien 1 und 2 wurde im Rahmen von Fallstudien untersucht, inwieweit therapeutische Interventionen zur Förderung des Mentalisierens von Patient:innen beitragen können. In Studie 1 wurden zwanzig Sitzungen einer erfolgreichen mentalisierungsbasierten Langzeittherapie mit einer Patientin mit Borderline Persönlichkeitsstörung analysiert. Die Mentalisierung der Patientin innerhalb der Therapiesitzungen wurden anhand der Reflective Functioning Skala (RF Skala) bewertet und anhand von Zeitreihenanalysen ausgewertet. Es konnte eine signifikante Steigerung des Mentalisierens über den Therapieverlauf festgestellt werden. Außerdem wurden in den Aussagen der Therapeutin Mentalisierungsfördernde Fragen kodiert. Hier konnte anhand von Modellen mit verteilten Verzögerungen gezeigt werden, dass Mentalisierungsfördernde Fragen als therapeutische Intervention über den gesamten Therapieverlauf zu einer signifikanten Steigerung des Mentalisierens führten. In Studie 2 wurde darauf aufbauend in einer Fallstudie mit drei Adoleszenten, die eine Störung des Sozialverhaltens aufwiesen, der Einfluss therapeutischer Interventionen auf das Mentalisieren der Patienten über den Therapieverlauf explorativ untersucht. Hierfür wurden je Patient fünf Therapiesitzungen analysiert. Dabei wurde jede Aussage der Adoleszenten hinsichtlich des Mentalisierens mit der RF Skala bewertet und für jede Aussage der Therapeutin mindestens eine therapeutische Intervention kodiert sowie einem Interventionslevel zugeordnet. Die Analyse erfolgte deskriptiv und mit Hilfe exakter Fisher-Tests auf Basis von Monte-Carlo Simulationen. Die folgenden Interventionslevel haben sich dabei fördernd auf das effektive Mentalisieren der Patienten ausgewirkt: Supportiv & Emphatisch, Basismentalisierung & Affektmodus und Mentalisierung der Beziehung. Im Rahmen einer detaillierten Auswertung einzelner Interventionen haben sich die folgenden Interventionen als relevant für die Förderung des Mentalisierens herausgestellt: Mentalisierungsfördernde Fragen, Affektelaboration, empathische Validierung, Challenge, Themenwechsel, Patienten-Therapeuten Beziehung und Mentalisieren für den Patienten. Bemerkenswert war, dass sich die Interventionslevel und Interventionen im Zusammenhang mit effektivem Mentalisieren zwischen den Patienten unterschieden. Mögliche patientenspezifische Faktoren wie Arousal und Prämentalisieurngsmodi wurden diskutiert. Studie 3 widmet sich der Unterscheidung von Mentalisieren in die Dimensionspole Selbst und Andere. Dabei wurde die Entwicklung des Mentalisierens von Müttern innerhalb elf fokussierter Säuglings-Kleinkind-Eltern Psychotherapien jeweils bestehend aus 4 Sitzungen mit Hilfe von kumulativen ordinalen Regressionsmodellen untersucht. Zur Untersuchung der Entwicklung von Mentalisieren über die Therapie hinweg wurden die Aussagen der Mütter mithilfe der RF Skala bewertet. Außerdem wurde jede Aussage der Mütter anhand eines neu entwickelten Ratingsystems kodiert, wobei zwischen Mentalisieren bezogen auf das Selbst und Mentalisieren bezogen auf das Kind unterschieden wurde. Zu Beginn der Sitzungen war Mentalisieren bezogen auf das Kind signifikant niedriger als Mentalisieren bezogen auf das Selbst, jedoch nahm Mentalisieren bezogen auf das Kind über die Sitzung hinweg signifikant stärker zu. Insgesamt erhöhte sich das Mentalisieren signifikant innerhalb der vier Sitzungen. Die Ergebnisse von Studie 3 verdeutlichen die Wichtigkeit der Unterscheidung in Mentalisieren des Selbst und anderer, hier das eigene Kind, für die ganzheitliche Betrachtung des Mentalisierens. Studie 4 betrifft die Entwicklung eines transdiagnostischen und verfahrensübergreifenden Phasenmodells zur Beschreibung der Veränderung von Mentalisieren in der Psychotherapie. Im Rahmen einer Metasynthese wurden 20 publizierte Fallstudien analysiert und thematisch synthetisiert. Das Phasenmodell umfasst drei Phasen: (1) Erleben des Selbst in einer sicheren Beziehung, (2) Mentalisieren des Selbst und (3) Mentalisieren von Anderen. Über alle Phasen hinweg sind die therapeutische Beziehung und die therapeutische Zone der proximalen Entwicklung von Bedeutung, die einen mentalisierungsförderlichen Raum zur effektiven Entwicklung des Mentalisierens der Patient:innen beschreibt. In der therapeutischen Zone der proximalen Entwicklung wird eine Differenzierung der Entwicklungsschritte vorgenommen, die die Patient:innen alleine und mit Hilfe der Therapeut:innen erreichen können. Studie 5 befasst sich mit der Entwicklung und Validierung eines Fragebogens (Mentalizing Emotions Questionnaire (MEQ)) zur Erfassung der Mentalisierungsfähigkeit im Hinblick auf Emotionen bezogen auf das Selbst und andere. Der MEQ beinhaltet in der validierten Fassung 16 Items und die drei Subskalen „Selbst“, „Kommunikation“ und „Andere“. Zur Validierung des neu entwickelten Fragebogens wurden zwei Stichproben (jeweils N > 500) erhoben und eine Exploratorische und Konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt. Der MEQ erzielte im Hinblick auf Mentalisierung von Emotionen mit der Unterscheidung Selbst, Kommunikation und Andere akzeptable bis sehr gute psychometrische Werte mit einer klaren und theoretischen Faktorstruktur und einer sehr hohen internalen Konsistenz sowie guter Konstruktvalidität.
Document type: | Dissertation |
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Supervisor: | Taubner, Prof. Dr. Svenja |
Place of Publication: | Heidelberg |
Date of thesis defense: | 1 October 2024 |
Date Deposited: | 18 Nov 2024 11:32 |
Date: | 2024 |
Faculties / Institutes: | The Faculty of Behavioural and Cultural Studies > Institute of Psychology |
DDC-classification: | 150 Psychology |
Uncontrolled Keywords: | Psychotherapie |