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Konzept und Realisierung eines wissensbasierten Planungssystems für die tumorbedingte Unterkieferrekonstruktion mit autologen Transplantaten

Hagen, Niclas

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PDF, German
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Abstract

Diese Arbeit befasst sich mit der computerassistierten Planung und Vorbereitung von tumorbedingten Unterkieferrekonstruktionen mit mikrochirurgischen Knochentransplantaten. In den meisten Fällen liegt ein Plattenepithelkarzinom der Mundschleimhaut zugrunde, welches den Unterkiefer substantiell infiltriert. Als therapeutischer Goldstandard hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die operative Entfernung der Malignität bewährt. Infolge dessen treten teils erhebliche segmentale Defekte (Lücken) am Unterkiefer auf. Dessen zentrale Bedeutung für die Kau-, Schluck- und Sprachfunktionalität sowie für die Aufrechterhaltung freier Atemwege und die Ästhetik des unteren Gesichtsdrittels machen eine Wiederherstellung der Unterkieferkontinuität erforderlich. Vor allem bei langstreckigen Defekten stellt das Wadenbein das Transplantat der Wahl dar.

Aufgrund der Komplexität des Eingriffs muss die Tumorresektion und Unterkieferrekonstruktion sorgfältig geplant und vorbereitet werden. Dabei hat sich die Inanspruchnahme von kommerziellen Dienstleistungen etabliert. In Telekonferenzen werden unter Anleitung der behandelnden Fachkräfte auf Industrieseite computerbasierte (virtuelle) Operationsplanungen und passgenaue Osteosyntheseplatten sowie Knochensägeschablonen für die intraoperative Umsetzung angefertigt. Dabei zeigen sich teils erhebliche Defizite. Die notwendigen Prozesse sind aufwendig, kostenintensiv und fehleranfällig, was sich im schlimmsten Fall negativ auf die Qualität der Planungsergebnisse auswirken kann.

Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung von Lösungen für die wissensbasierte und computerassistierte Planung und Vorbereitung von Unterkieferrekonstruktionen mit Wadenbeintransplantaten am Point-of-Care (klinikintern). Die Entwicklungen und Erprobungen erfolgen in enger Zusammenarbeit mit Chirurg*innen der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) des Universitätsklinikums Heidelberg.

Zunächst werden bestehende Ansätze aus Industrie und Wissenschaft analysiert und Schwachstellen herausgearbeitet. Darauf aufbauend werden Anforderungen an das zu entwickelnde System definiert und ein Konzept sowie eine Softwarearchitektur entworfen. Dies umfasst: präoperative Softwarelösungen für eine wissensbasierte virtuelle Operationsplanung sowie zur Erstellung von individuellen Osteosyntheseplatten und Sägeschablonen, eine Schnittstelle zu einem Navigationssystems für die intraoperative Assistenz und eine Softwarelösung für die Auswertung der Umsetzungsgenauigkeit einer Rekonstruktion an additiv gefertigten Knochenmodellen.

Damit das relevante chirurgische Domänenwissen für eine intelligente Operationsplanung strukturiert erhoben werden kann, wird ein Akquisitionsprozess entworfen und mit Chirurg*innen der MKG durchlaufen. Aus dem akquirierten Wissen werden neuartige Planungskonzepte entwickelt, welche die standardisierte Rekonstruktionsplanung auf Basis grundlegender Regeln ermöglichen. Als maschinenlesbare Repräsentation des erarbeiteten Wissens wird eine umfassende Ontologie entwickelt, welche dynamisch interpretiert werden kann. Über eine Schnittstelle kann das Wissen angefragt und von der Planungsalgorithmik weiterverarbeitet werden.

Zentraler Baustein der Systemarchitektur ist ein System für die virtuelle Operationsplanung von Tumorresektionen und wissensbasierten Rekonstruktionsvorschlägen. Das Planungssystem umfasst eigens entworfene Referenzmodelle des Ober- und Unterkiefers und kann das Wissen aus der Ontologie automatisiert verarbeiten. Die Referenzmodelle dienen einerseits als natürliche Referenzanatomie bei deformierten Unterkiefern, andererseits ermöglichen sie die Abbildung des Wissens auf die Patientenanatomie. Darauf aufbauend wird ein neuartiger Ansatz für die automatisierte Berechnung von Rekonstruktionsvorschlägen entwickelt. In einem iterativen Prozess wird eine standardisierte Positionierung eines Transplantats bestimmt und anhand funktioneller und ästhetischer Aspekte iterativ optimiert. Das Planungssystem bietet erstmalig die Möglichkeit, Vorschläge für verschiedene Rekonstruktionsvarianten auf Basis von umfangreichem Wissen automatisiert zu berechnen, zu vergleichen und interaktiv fein zu justieren.

Für die Plattenfertigung werden Lösungen entwickelt, welche es ermöglichen, manuell formbare Osteosyntheseplatten (Standardplatten) in das ansonsten rein virtuelle System einzubetten. Die entwickelte Softwarelösung stellt Registrierungskonzepte für die Überlagerung von digitalisierten Platten mit dem virtuellen Operationsplan bereit. Darauf aufbauend werden Funktionalitäten für die Konfiguration und automatisierte Generierung von Sägeschablonen - inklusive Bohrführungen für Schraubenlöcher der digitalisierten Platte - entwickelt. Mit Hilfe einer generischen Schnittstelle können die Schablonen anschließend additiv gefertigt werden. Diese Lösungen ermöglichen die klinikinterne Vorbereitung und dienen einer möglichst präzisen intraoperativen Planungsumsetzung.

In einer Voruntersuchung wird die Registrierungsgenauigkeit der Unterkieferreferenz bei der virtuellen Operationsplanung untersucht. Darauf aufbauend folgt die Validierung der Ontologie und der entwickelten Berechnung von Rekonstruktionsvorschlägen. Eine erfolgreiche Voruntersuchung dieser zentralen Planungsaspekte ist die Voraussetzung für die folgende systematische Erprobung der einzelnen Systembausteine. Dabei wird das System an 21 retrospektiven klinischen Fällen evaluiert, indem jeweils die Operationsplanung und Vorbereitung der Unterkieferrekonstruktion von Chirurg*innen der MKG angefertigt wird. Danach wird durch die Operation an additiv gefertigten Knochenmodellen die Umsetzungsgenauigkeit bewertet. Der zeitliche Aufwand bei Einsatz des Systems wird kontinuierlich dokumentiert. Die Bedienbarkeit wird mit einem validierten Fragebogen beurteilt. Rückmeldungen der Chirurg*innen zu den Systemfunktionalitäten und bei Bearbeitung der Studienfälle werden mit eigens erarbeiteten Erhebungsbögen erfasst. Die rekonstruierten Modellunterkiefer werden abschließend digitalisiert und die Umsetzungsgenauigkeit im Vergleich zur virtuellen Planung ausgewertet. Als wichtige Ergebnisse sind die positiven Rückmeldungen der Chirurg*innen zu den Planungsvorschlägen und -ergebnissen sowie die gemessene mittlere Umsetzungsgenauigkeiten von 2 mm bei Operation der Knochenmodelle zu nennen.

Mit dieser Arbeit wird den Chirurg*innen ein umfassendes wissenschaftliches System für die durchgängig computerassistierte Unterkieferrekonstruktion an die Hand gegeben. Durch den hohen Automatisierungsgrad und die Einbettung von Standardimplantaten wird eine autarke sowie klinikinterne Operationsplanung und Vorbereitung möglich. Domänenspezifisches Wissen wurde dabei erstmalig in einer Ontologie aufbereitet und es wurden neuartige Ansätze für die intelligente Rekonstruktionsplanung nach standardisierten Regeln entwickelt. Die Erprobungsergebnisse lassen auf eine qualitativ hochwertige Operationsplanung, auch bei schwerwiegend deformierten Fällen, schließen. Somit bildet diese Arbeit die Grundlage für weitere wissensbasierte Systeme im Bereich der rekonstruierenden MKG, für weitere wissenschaftliche Untersuchungen und für die Industrie-getriebene Entwicklung einer medizinischen Software zur nachhaltigen Verwendung der erarbeiteten Lösungen.

Document type: Dissertation
Supervisor: Knaup-Gregori, Prof. Dr. sc. hum. Petra
Place of Publication: Heidelberg
Date of thesis defense: 12 November 2024
Date Deposited: 28 Nov 2024 13:06
Date: 2024
Faculties / Institutes: Medizinische Fakultät Heidelberg > Institut für Medizinische Informatik
DDC-classification: 004 Data processing Computer science
600 Technology (Applied sciences)
610 Medical sciences Medicine
Controlled Keywords: Medizinische Informatik, Unterkieferrekonstruktion
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