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Das Grabmal Wilhelms II. in Marburg

Mörsch, Gerd

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Abstract

Die Marburger Elisabethkirche ist ein historisch bedeutsamer Ort. Die heilige Elisabeth lebte von 1207-31 und wurde bereits vier Jahre nach ihrem Tod heilig gesprochen. (1) Von ihrem Witwenvermögen errichtete die nach Marburg geflüchtete Landgräfin ein Franziskus-Spital, in dem sie selbst arbeitete. Ihre erste Grabstätte war in der Kapelle des Spitals, an deren Stelle schon bald eine Wallfahrtskirche errichtet wurde, Elisabeth wurden bereits zu Lebzeiten zahlreiche Wundertaten nachgesagt. Von 1235-83 wurde über dem Grab (2) der Heiligen Elisabeth nach Plänen eines Architekten aus der Gemeinschaft des Deutschen Ritterordens die Kirche als erste gotische Hallenkirche Deutschlands errichtet. Nach der Umsiedelung der Tumben Konrads von Thüringen und Adelheids von Braunschweig erfüllte die Kirche drei wichtige Funktionen: (3) 1. Grabstätte der Heiligen Elisabeth und damit eine der bedeutendsten Wallfahrtsstätte des Mittelalters 2. Bedeutende Kirche des Deutschen Ordens und seiner Liturgie 3. Grabstätte der hessischen Landgrafen. Das Grabmal Wilhelms II. bildet als letztes in der Elisabethkirche 1516 aufgestelltes den Abschluss einer seit Mitte des 13. Jahrhunderts in Marburg begonnenen Tradition von Tumbengrabmäler. Die mittelalterlichen Jenseitsvorstellungen hatten neben der Repräsentationsfunktion des Grabmals großen Einfluss auf dessen Gestaltung. Besonders die seit dem 12. Jahrhundert weit verbreitete Idee des Fegefeuers begünstigte das Entstehen eines komplexen Buße- bzw. Sühnesystems, das die Gestaltung der Grabmäler entscheidend beeinflusste. „Jeder wusste, dass es dem Seelenheil förderlich war, Gutes zu tun und das Böse zu lassen. Und allen war klar, dass man seinen Sinn besser zum Himmel als zur Erde wendet: Ihr solltet Euch auf Erden keine Schätze sammeln, wo sie der Rost und die Motten verzehren (...), sondern sammelt euch Schätze im Himmel (...).“ (4) Dieser Bibelstelle gemäß versuchten die Menschen durch Sühne, Buße und Gebet, ihre Sünden zu mindern und sich aufgrund guter Taten und eines frommen Lebens einen Schatz im Himmel anzulegen. Doch auch über den Tod hinaus konnte der Verstorbene diesen Schatz – in der Hoffnung, dass er dadurch schneller aus dem Fegefeuer erlöst werde – noch mehren. Hierfür wurde das sogenannte Seelgerät im Testament bestimmt. (5) Entscheidend für die mittelalterliche Kultur war, dass sich es sich bei reichen Personen nicht nur um Leistungen für das Sozialwesen handelte. Auch Spenden zur Förderung des liturgischen Kultus in der Kirche konnten den Schatz im Himmel vermehren. (6) Diese Vorstellungen gipfelten zu Lebzeiten Wilhelms II. in dem weit verbreiteten Ablasshandel der katholische Kirche, der im Entstehungsjahr des Grabmals 1516 aufgrund der Reformation in einigen Teilen Deutschlands wohl schon geschwächt bzw. abgelehnt worden waren. Wilhelm der II. [der Mittlere] wurde am 29. April 1469 geboren. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere im Jahre 1500, als er sich nach dem Tod seines Vetters den Siegesstempel (7) schneiden ließ, erreicht der Ablasshandel seinen kritischen Höhepunkt. Die katholische Kirche der Jahrhundertwende verfolgt Abweichungen von ihrer Lehre als Ketzerei. Dank des Ablasshandels wird ihr Reichtum gemehrt und gleichzeitig verstärkt sich die reformatorische Gegenbewegung. (8) Wilhelm II., Landgraf von Ober- und Niederhessen, trat 1506 aufgrund schwerer körperlicher und geistiger Krankheit von allen seinen Ämtern zurück und verstarb am 11. Juli 1509. Warum das Grabmal erst sieben Jahre nach seinem Tod entstanden ist und ob es in der von dem Marburger Bildhauer Ludwig Juppe (9) gewählten Form auf das Testament oder sonstige Vorgaben des Verstorbenen zurückzuführen ist, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden. (10) Im folgenden Text wird anhand einer detaillierten Beschreibung der Formen und Figuren des Grabmals vor dem Hintergrund ihrer ikonologischen Bedeutungen versucht, die memoriale Botschaft des Grabmals zu rekonstruieren. (1) Elisabeth war die Tochter Königs Andreas II. von Ungarn und Gertrud von Andechs. Als Einjährige wurde sie mit dem späteren Landgrafen Ludwig IV. von Thüringen verlobt und lebte - zur Erziehung nach Wartburg geschickt - seit ihrem 4. Lebensjahr in Thüringen. Elisabeth und Ludwig hatten nach ihrer Heirat 1221 drei Kinder. Schon als Landgräfin nahm sie sich in besonderer Weise der Hungernden und Kranken an, denn ihr geistiges Vorbild war der Heilige Franz von Assisi. Nach dem Tod ihres Mannes im Kreuzzug wurde sie von der Familie des Mannes von der Wartburg vertrieben und ihr Witwensitz wurde Marburg. Bald nach ihrem Tod setzen Pilgerfahrten zu ihrem Grabe ein. Ihr Schwager Konrad, Landgraf und späterer Hochmeister, siedelt hier 1233 den Deutschen Orden an. Auf sein Betreiben hin erfolgen 1235 die Heiligsprechung Elisabeths und die Grundsteinlegung der Kirche, sowie 1236 die Erhebung ihrer Gebeine im Beisein Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen. (2) Die Wallfahrtkirche mit ihrem Grab befand sich unter der heutigen Nordkonche der Elisabethkirche. Dort sind deshalb auch der Mitte des 13. Jahrhundert entstandene, feuervergoldete Elisabethschrein und das um 1385 über ihrem Grab errichtete Mausoleum untergebracht. (3) Der Beginn und die Entwicklung der landgräflichen Grabstätte werden von Andreas Köstler ausführlich untersucht. In: Die Ausstattung der Marburger Elisabethkirche, S.133f. (4) In: Himmel Hölle Fegefeuer, S.22. Zitiert nach Mt. 6,19 (5) Der Begriff meint den Vorrat an Guten Werken für die im Fegefeuer schmorende Seele. Ein Glaube der schon in der Antike verbreitet war. Ihm zufolge sollten die Reichen im Testament stets Christus als Miterben einsetzten. Neben dem Ablass ist das Seelgerät das klassische Mittel zur Linderung der Fegefeuerqualen. Siehe hierzu besonders den Text von P. Jezler. In: Himmel Hölle Fegefeuer, S.13f. (6) Davon zeugen vor allem die zahlreichen Stifterportraits in mittelalterlichen Altären. (7) Die Form des Siegels seines Sohnes Philipp der Großmütige geht auf das von Wilhelm II. zurück. (8) Da die Elisabethkirche aber zum dem deutschen Reich unmittelbaren verbundenen Deutschen Orden gehörte, blieb sie auch nach der Einführung der Reformation in Hessen im Jahre 1526 zunächst noch altgläubig. Erst seit dem 18. Mai 1539 wurde auch in ihr der Gottesdienst evangelisch gefeiert. (9) Das genaue Jahr seiner Geburt ist nicht bekannt. Aufgrund einer den Bildhauer zum ersten Mal erwähnenden Urkunde von 1486 schließt H. Neuber auf eine Geburt in den späten 1460er Jahren und nennt als Sterbejahr 1537. In: Ludwig Juppe von Marburg, S.19 (10) Ein Grund für das verspätete Entstehen des Grabmals war sicher die nach dem Tod neun Jahre lang heftig umstrittene Regentschaft.

Document type: Article
Date: 2016
Version: Primary publication
Date Deposited: 21 Jul 2016 10:25
Faculties / Institutes: Research Project, Working Group > Individuals
DDC-classification: Plastic arts, numismatics, ceramics, metalwork
Controlled Keywords: Wilhelm <II., Hessen-Kassel, Landgraf>, Grabmal, Elisabethkirche <Marburg>
Subject (classification): Artists, Architects
Iconography
Sculpture
Countries/Regions: Germany, Switzerland, Austria