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Tizians Venus mit dem Orgelspieler in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin und im Museo Nacional del Prado in Madrid

Habich, Johannes

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PDF, German
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Abstract

Ausgangslage: Tizians Gemälde Venus mit dem Orgelspieler in der Berliner Gemäldegalerie wurde 1918 anlässlich seines Erwerbs für das damalige Kaiser-Friedrich-Museum durch Wilhelm von Bode in die Forschung eingeführt. Es ergänzte die aus vier seit Langem bekannten Gemälden bestehende Werkgruppe Venus mit dem Musiker: zwei mit Orgelspieler im Prado in Madrid, jeweils eines mit Lautenspieler in Cambridge Mass. und New York. Keines der Bilder ist datiert, und es gibt keine Quellen, die Auskunft über Entstehungszeit, Auftraggeber, Funktion und Bedeutung geben. Unterschiedliche Ansichten der Spezialist*innen zur Stellung der Gemälde innerhalb der Gruppe wirkten sich auf Deutung und Bewertung des Berliner Bildes aus. Methode: Meine monographische Untersuchung hat einen wirkungsästhetischen Ansatz. Er wurde an dem Gemälde bisher nicht konsequent erprobt. Die Darstellung legt ihn nahe, indem sie den Betrachter zu interaktiver Rezeption herausfordert. Sie enthält Sehanweisungen und Assoziationsangebote, die schrittweise zu einem Verständnis des Bildes führen. Durch Kontextualisierung mit Erkenntnissen der jüngeren Forschung zum kulturellen Umfeld Tizians, seiner Teilhabe am intellektuellen Leben in Venedig und seiner Anwendung verschiedener Malmodi nach 1540 ergibt sich unter Einbeziehung von Beobachtungen und Hinweisen auf literarische Inspirationsquellen in der älteren Literatur ein mehrschichtiger Bedeutungssinn. Deutungsvorschlag: Der Betrachter, der sich von der Erotik des lebensgroßen Akts angezogen fühlt, wird durch das Schoßhündchen der Venus als Voyeur verbellt und auf den Kavalier verwiesen. Dieser zeigt sich unter einem anderen Blickwinkel als die Götter. Er gehört scheinbar dem Realraum an, Venus mit Cupido dagegen einem autonomen Bildraum der Imagination. Er sieht sie nicht wirklich, sondern als Vision. Diese rein geistige Form des Sehens steht dem sinnlichen Hören eleganter, geselliger Musik gegenüber, die mit dem Kavalier am Orgelpositiv assoziiert und in Beziehung zum amore lascivo gesehen wurde. Im Hintergrund wird durch ein Motiv der neupetrarkistischen Lyrik auf unerfüllbare Liebe des Kavaliers angespielt. Seine transitorische Haltung zeigt, dass er sich anschickt, das sinnliche Begehren ethisch und ästhetisch zu sublimieren. Damit entspricht er einer Forderung Castigliones an den idealen Hofmann.Der Betrachter identifiziert sich mit dem Kavalier und sublimiert zugleich, sein eigenes mimetischerotisches Bilderlebnis, indem er das Gemälde, durch die Bildregie gelenkt, als Kunstwerk wahrnimmt. Nähertretend erkennt er die demonstrativ offengelegten malerischen Mittel, die die Illusion eines greifbaren Frauenkörpers und eines bellenden Hundes bewirkt hatten und bewundert die Leistungsfähigkeit von Tizians koloristischem Bildverfahren. Bildvergleiche: Im zweiten Teil der Arbeit werden die beiden nächst verwandten Gemälde in Madrid, mit denen das Berliner in der Forschung um den Vorrang konkurriert, in die Untersuchung einbezogen. Sie haben den selben literarischen Bezugshintergrund, sind aber als allegorische Rollenporträts bildräumlich autonom und bis auf einige bedeutsame Abweichungen identisch. Im älteren, stellt sich der Kavalier wie ein Canzoniere die venusgleiche Geliebte eifersüchtig im Spiel mit ihrem Hündchen vor, im anderen betrachtet er die Reize der Venus wie ein Castiglionischer Hofmann. Das unrealistische Szenario wird durch die Ähnlichkeit der Bildraumstruktur mit dem Aufbau einer zeitgenössischen Theaterbühne im poetisch Imaginären verortet, das sich den Kavalieren durch ihre Musik vermittelt. Genese: Im dritten Teil geht es um die Stellung des Berliner Gemäldes zu den Madrider Varianten in Auseinandersetzung mit der den aktuellen Forschungsstand repräsentierenden These von Miguel Falomir (2003), Tizian hätte die Bildidee Venus mit dem Musiker in letzteren entwickelt: Am Anfang stehe das Bild mit Dame und Hündchen, das als Hochzeitsbild entstanden sei. Im anderen, einer Kopie des ersten, hätte Tizian die Braut durch Venus mit Cupido ersetzt und damit den Prototyp geschaffen, auf den das Berliner Bild und die beiden Fassungen in Amerika zurückgingen. Meine Vergleiche der Motiv-Gestaltung und des Stils sprechen jedoch dagegen und bestätigen die Annahme in der ältere Forschung, dass das Berliner Gemälde das Schöpfungsbild der Werkreihe sei. Seine stilistische Nähe zur Danae Farnese deutet auf eine Entstehungszeit vor 1545. Hypothese: 1541 bemühte sich Vasari von Venedig aus, Kopien nach Michelangelos Venus mit Cupido und Leda zu vermarkten. Tizian sah darin wohl eine künstlerische und geschäftliche Herausforderung, auf die er mit einer eigenen Version von Venus mit Cupido (Uffizien, Florenz) und der Danae reagierte, Wie für Danae konnte er für Venus auf eine Formulierung zurückgreifen, die er selber oder Giorgione entwickelt hatte, letztere als Variante der Ruhenden Venus in Dresden ( nicht erhalten, doch in Bildern venezianischer Künstler, darunter in dem 1515 datierten Kupferstich Ruhende Nymphe von D. Campagniola greifbar). Die Ausführung überließ er der Werkstatt, während er das Motiv im Berliner Bild zur Darstellung der eigenen künstlerischen Position modifizierte und mit dem hinzugefügten Kavalier an seine hochadeligen Kunden adressierte. Über die didaktisch auf sie bezogene doppelte Storia sollten sie an seinem mit dem römisch-toskanischen konkurrierenden Bildverfahren interessiert werden. Im eigenen Medium thematisierte er, was Ludovico Dolce im Dialogo della pittura intitulato l´Aretino erst 1557 begrifflich formulierte.

Document type: Article
Date: 2018
Version: Primary publication
Date Deposited: 26 Jul 2018 09:33
Faculties / Institutes: Research Project, Working Group > Individuals
DDC-classification: Painting
Controlled Keywords: Vecellio, Tiziano / Venus mit dem Orgelspieler
Subject (classification): Artists, Architects
Iconography
Painting
Countries/Regions: Italy