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Die Darstellung des Undarstellbaren : Luc Tuymans’ Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Holocaust

Fahrnschon , Benedikt

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PDF, German
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Abstract

Luc Tuymans zählt zu den bekanntesten und meistdiskutierten Malern der Gegenwart. Berühmt geworden sind seine Gemälde über die koloniale Vergangenheit Belgiens im Kongo und seine Darstellungen des Nationalsozialismus’ und des Holocausts seit den 1980er Jahren. Letztere, eine Gruppe von einem guten Dutzend Gemälden, werden in Katalogen und Kunstzeitschriften häufig in essayistischer Weise besprochen und wurden auch vom Künstler selbst in einer Reihe von Interviews kommentiert. Eine gründliche wissenschaftliche Darstellung dieser Werkgruppe fehlte bislang hingegen. Gegenstand der Arbeit ist jedoch keine Bestandsaufnahme aller Arbeiten, die diesem Thema zuzurechnen sind. Vielmehr wird anhand ausgewählter, zentraler Kunstwerke Tuymans’ Beschäftigung mit der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft und deren Folgen untersucht. Der essayistischen Tendenz der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit jener Werkgruppe versucht die vorliegende Arbeit dabei entgegenzuwirken. Mittels deskriptiver und historischer Instrumente der Kunstgeschichte hat die Arbeit zum Ziel, die erstmalige systematische Analyse von Tuymans Werken zum Thema Nationalsozialismus und Holocaust fruchtbar zu machen. Zugleich werden Theorien und Kategorien aktueller kulturwissenschaftlicher Forschungen für eine weitergehende Interpretation der Gemälde herangezogen: die zunächst literaturwissenschaftliche, dann von Wolfgang Kemp auf die Kunstgeschichte übertragene Kategorie der Leerstelle und die einschlägigen Forschungen zu Kultur und Gedächtnis (Maurice Halbwachs, Aleida und Jan Assmann) sowie zur Erinnerung an den Holocaust (James E. Young). Deskriptive und formale Analysen verbinden sich mit einem Blick auf den historischen und örtlichen Kontext der Entstehung der Gemälde im Belgien der 1980er Jahre. Dabei wird deutlich, dass nur noch eine mediale Vermittlungen sogenannter "Erinnerungen" der Nachlebenden möglich sind, die sich zugleich einer Verbildlichung der Opfer konsequent verweigern, wie sie in den frühen Holocaust-Darstellungen häufig zentral waren. Mittels empirischer Studien, zu denen auch ein Künstlerinterview gehört, wird versucht, einzelne Motive der Gemälde im Hinblick auf die von Tuymans verwendeten Quellen genauer zu bestimmen. Dabei spielt das Bewusstsein der prinzipiellen Offenheit der einzelnen Werke eine entscheidende Rolle. So erfolgen die thematischen Bezüge in den Bildern oftmals implizit und werden eher assoziativ aufgerufen. Stimmungswerte, die durch Farben und Formen evoziert werden, sind in diesem Zusammenhang relevant. Die untersuchten Gemälde changieren zwischen malerischer Selbstreflexion und Referenz auf außerbildliche Themen. Im Sinne eines "modernisme noir" (Gerd Blum/Johan F. Hartle) wird dabei die Kategorie künstlerischer Autonomie noch einmal aufgerufen, um sie mit der politischen Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts kurzzuschließen und somit zu konterkarieren. Die prinzipielle Offenheit der Lektüre wird durch eine Reihe von Paratexten in bestimmt Bahnen gelenkt, zu denen die Bildtitel ebenso gehören wie die Ausstellungskataloge. Es sind gerade die visuellen Leerstellen der Bilder, die im Kontext der Paratexte vom Rezipienten gefüllt werden. So erscheinen die Täter wie Albert Speer oder Heinrich Himmler auf Tuymans’ Gemälden ganz bewusst in gewöhnlichen Posen, um den Betrachtern die "Banalität des Bösen" vor Augen zu führen. Gleiches gilt für die dargestellten Gegenstände, die plötzlich ihre Unschuld zu verlieren scheinen und zu Instrumenten von Folter und Gewalt mutieren können. Die Bilder von Tuymans stimulieren die Phantasmen, die den Holocaust trotz aller wissenschaftlichen Analysen und Dokumentationen noch immer umgeben. Es ist das Zusammenspiel von Erinnerung und Vergessen, von "fact" und "fiction", das die Bilder reflexiv zur Erfahrung bringen. Und dieses Zusammenspiel ist durchaus symptomatisch für den generationsspezifischen Zugang zu diesem Kapitel der Vergangenheit. Ist die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und an die Verbrechen der Nationalsozialisten eben keine direkte mehr, sondern vermittelt durch Texte wie auch Bilder. Gerade Film und Fernsehen haben die Erinnerung an den Holocaust seit den 1970er Jahren stark mitbestimmt. Tuymans setzt sich gerade mit diesen medialen Vermittlungen der Geschichte auseinander.

Document type: Master's thesis
Date: 2014
Supervisor: PD Dr. Gerald Schröder
Version: Primary publication
Date Deposited: 04 Jun 2014 11:15
Faculties / Institutes: University, Fakulty, Institute > Heidelberg, University, Institute of Art History
DDC-classification: Painting
Controlled Keywords: Tuymans, Luc, Nationalsozialismus <Motiv>, Judenvernichtung <Motiv>
Subject (classification): Artists, Architects
Painting
Countries/Regions: Benelux
Additional Information: Geringfügig überarbeitete Fassung der im Sommersemester 2012 eingereichten Magisterarbeit