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Der Kunstbesitz der Familie Kolker aus Breslau - Eine Spurensuche

Breloh, Anja

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Abstract

In der kunsthistorischen Forschung war bislang kaum etwas über die großbürgerliche jüdische Familie Kolker aus Breslau bekannt, die in den letzten Jahren des Kaiserreichs Werke der deutschen und französischen Moderne sammelte. Auf Basis teils neu erschlossener Quellen aus deutschen, polnischen und anderen internationalen Archiven sowie der Auswertung von ausgewählter Primär- und Sekundärliteratur erforscht die 2022 an der Technischen Universität Berlin eingereichte und für die Publikation erweiterte, korrigierte Masterarbeit erstmals die Geschichte und das Verfolgungsschicksal der Familie Kolker von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu ihrer Emigration in der NS-Zeit.

Sie versucht, die vergleichsweise kleinen Kunstsammlungen des Großhandelskaufmanns und Unternehmers Konsul Hugo Kolker (1845‒1915) und seines Neffen Hubert-Erich Kolker (1885‒1918) zu rekonstruieren und die Werke zu identifizieren. Dazu untersucht sie deren Erwerbungen auf dem deutschen und französischen Kunstmarkt und zeichnet ihre Veräußerung beziehungsweise die Verlustumstände nach. Das in diesem Rahmen erstellte kommentierte Verzeichnis der besser dokumentierten Sammlung Hugo Kolkers versteht sich als erste Bestandsaufnahme und soll eine Grundlage für die weitergehende Provenienzforschung zum Kunstbesitz der Familie schaffen. Die exemplarische Provenienzrecherche zu dem Lovis-Corinth-Gemälde "Der Wasserfall" aus dem Alteigentum von Hubert-Erich Kolkers Sohn Berndt Lothar Kolker (1916‒1990) spricht nach der Auswertung vieler Quellen für einen NS-verfolgungsbedingten Verlust des Bildes. Die Arbeit möchte, um mit Anna-Carolin Augustin zu sprechen, „Leerstellen“, die durch die „memorialpolitische Auslöschung“ NS-Verfolgter entstanden sind, „wieder mit Wissen anreichern“ und im Fall des Corinth-Gemäldes dazu beitragen, eine „gerechte und faire Lösung“ nach heutigen Maßstäben zu finden.

Hugo Kolker gründete 1877 gemeinsam mit seinem Bruder Bruno (1848‒1909) das Familienunternehmen Gebrüder Kolker, das Fettwaren, Öle, Chemikalien und Zelluloseprodukte vertrieb. Eine Lizenz zur technischen und kommerziellen Verwertung von Patentrechten an Viscose und Viscoid ermöglichte es den Brüdern, das erste kunstseidene Kleid herzustellen und auf der Pariser Weltausstellung 1900 zu präsentieren. Als ökonomisch erfolgreiche Großhändler und Fabrikanten stiegen die Kolkers bis zur Jahrhundertwende in das reiche Wirtschaftsbürgertum Breslaus auf.

Hugo Kolker, Konsul von Portugal und Träger des Ritterkreuzes der französischen Ehrenlegion, zählte zu den Honoratioren Breslaus. Erst mit über 60 Jahren begann er moderne Kunst zu sammeln, für die er sich zunehmend begeisterte. Seine kunstsinnige Tochter Elsa (1878‒1932) war die treibende Kraft bei den Kunstkäufen, während ihr Mann, der bekannte Kunsthistoriker Curt Glaser (1879‒1943), seine Expertise einbrachte. Das Profil der Sammlung Hugo Kolkers wurde daher durch die Vorlieben Elsa und Curt Glasers entscheidend geprägt, die mit (schwieger-)väterlicher finanzieller Unterstützung auch selbst sammelten.

Hugo Kolkers hochkarätige Sammlung moderner Kunst entstand von 1908/09 bis 1914. Sie umfasste weit über 40 Werke von Mitgliedern der Berliner Secession und jüngster französischer Künstler. Mit ihren Schwerpunkten bei Henri Matisse und Edvard Munch sowie mit Gemälden von Vincent van Gogh, Pablo Picasso und fauvistischer Maler war die Kollektion in Breslau vor dem Ersten Weltkrieg einzigartig. Nach Hugo Kolkers Tod ging sie vermutlich ganz auf Elsa und Curt Glaser über, die die Werke abgesehen von wenigen Ausnahmen wohl bis Anfang der 1930er-Jahre veräußerten.

Über den Kunstbesitz von Hugo Kolkers Neffen Hubert-Erich ist sehr viel weniger bekannt. Einzelne der vermutlich circa 30 Werke lassen sich kaum identifizieren. Hinsichtlich französischer Künstler sowie Lovis Corinth und Max Slevogt gab es Überschneidungen zwischen den beiden Kollektionen. Nach seinem frühen Tod Ende 1918 ging Hubert-Erich Kolkers Nachlass auf seine Frau Rose (1890‒1980) und die gemeinsamen Kinder Berndt Lothar (1916‒1990) und Hella Erika Liselotte (1919‒2008) über. Der Kunstbesitz wurde anlässlich von Rose Kolkers zweiter Heirat mit Hans Pototzky (1881‒1942) Mitte der 1920er-Jahre aufgeteilt, wobei Berndt L. Kolker vier Gemälde erhielt.

Die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft einsetzende Judenverfolgung beraubte auch die Kolker-Pototzkys ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Existenz, sodass sich die Familie zur Emigration gezwungen sah. Die Berndt L. Kolker gehörenden Bilder kamen wohl NS-verfolgungsbedingt abhanden. Identifizieren und lokalisieren lässt sich bis dato nur Lovis Corinths Gemälde "Der Wasserfall", wobei die genauen Umstände des Entzugs bisher nicht eindeutig geklärt werden konnten. Entweder wurde "Der Wasserfall", für den Zollbeamte bei der Inspektion von Berndt L. Kolkers Gepäck im August 1938 die Ausfuhrgenehmigung verweigerten, beschlagnahmt. Oder er musste von Rose und Hans Pototzky zwangsweise verkauft werden.

Document type: Master's thesis
Date: 2024
Supervisor: Prof. Dr. Meike Hopp
Version: Primary publication
Date of thesis defense: 6 October 2022
Date Deposited: 31 Jul 2024 17:58
Faculties / Institutes: Research Project, Working Group > Individuals
DDC-classification: Organizations and museology
Painting
Controlled Keywords: Kolker, Hugo, Kolker, Hubert-Erich, Glaser, Elsa, Kolker, Berndt Lothar, Breslau, Kunst, Sammlung, Corinth, Lovis / Der Wasserfall, Munch, Edvard, Matisse, Henri, Berliner Secession
Subject (classification): Artists, Architects
Aesthetics, Art History
Painting
Museology, Art Collection, Art Museum
Countries/Regions: Germany, Switzerland, Austria
East Europe